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Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister in München : I. Holbein und Dürer.
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bemerkbar wurden. Seit dem Auftreten Donatello's in Padua und Venedig um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts kam das Studium der Antike, dem sich der große florentinische Kunstreformator gewidmet hatte, im ganzen Norden in Schwang. Mächtig wirkte es auf Mantegna, die beiden Bellini, die Vivarini; die älteren Arbeiten Gentile's und Giovanni's sogut wie des Antonio da Murano und Bartolommeo Vivarini legen Zeugniß davon ab. Antonello da Messina's Ankunft jedoch (1473) lenkt die künstlerische Inten­tion in eine andere Bahn; selbst Giambellin, welcher in der Oeltechnik mit Antonello wetteiferte, wendet sich von der Antike ab und gibt sich ganz und gar dem Ehrgeiz hin, das Farbenelement auszubilden. Hier hat die Schule ihren Ursprung, welche den Giorgione und Tizian hervorbrachte, Giorgione bei Antonello und Bellini, Tizian nur bei Bellini lernend, und zwar eben zu der Zeit, als Dürer nach Venedig kam. Noch bestanden die beiden Richtungen neben einander, die Donateske aber im Niedergang, Antonello'sTendenz intensiv und extensiv im Wachsthum. Dieser Sachverhalt lehrt verstehen wie es kam, daß Dürer brieflich gegen Pirkheimer klagen konnte, in Venedig fände man seine Arbeit nicht genug im Geist der Antike, während von ihm zugleich auch gesagt wurde, daß er kein rechter Colorist sei. Den Einblick in das geistige Ringen des großen Nürnbergers, den solche Aeußerungen geben, unterstützt nun unserer Meinung nach das vorliegende Salvator-Bild, das wir sür eins aus der Reihe seiner Werke halten, welche eben diesen Zeit­punkt charaktensict. Die Geschichte der Tafel sagt, sie sei in Dürer's Atelier bis zu seinem Tode unvollendet geblieben, dann in Pirkheimers Besitz ge­langt; von ihm haben sie die Jinhof geerbt und von diesen bekam sie Haller von Hallerstein. Es ist ein Brustbild: Christus hat die Rechte zum Segen erhoben und in der Linken die juwelenbesetzte krystallene Weltkugel; als Folie dient dem Kopfe ein grüner Grund von giorgionesker Tonfülle. Das Haar fällt in reichen braunen Locken auf die Schultern herab, einzelne ausgeführter? Partien sind mit der minutiösen Sorgfalt behandelt, von welcher Lomazzo so bewundernd spricht; dünner Flaumbart bedeckt Lippen und Kinn. Die Hände sind schmal und langfingerig; die Zeichnung, die hier und auch am Haupte durchscheint, läßt erkennen, daß die ganze Figur zuerst mit sehr spitzer Feder in blasser Tinte angelegt und schattirt gewesen ist. Die rothen und blauen Töne des Gewandes sind von venezianischer Leuchtkraft und auf der Glaskugel meisterlich reflectirt, wie auch Perlen und Amethyst am Knopfe des Reichsapfels prächtig im Wiederscheine spielen, Specialitäten, die bei Dürer höchst merkwürdig sind. Das Ganze sieht sich an wie ein Probestück; als hätte man ihm den coloristischen Sinn abgesprochen und er sich hingesetzt, um aus­schließlich venezianische Farbenwirkung herauszubringen. Und man kann nicht leugnen, er Hai das erreicht, genau wie die Venezianer und mit Darangabe