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unterhalten dürfte. Oder: Wir haben keine WM. denn unsere angeborene Erwerbs- und Arbeitslust ist so mächtig, daß nur das Gebot der Bibel sie auf 24 Stunden hemmen kann. Um dem Volke die nothwendige leibliche Rast zu verschaffen, muß die Gesetzgebung sich auf die Kirche stützen. Die Kirchen- und Sectenmänner aber würden eher noch alle Fabriken am Sonntag öffnen, als ein einziges Theater. Geschäft bleibt immer verzeihlicher als Vergnügen. Daher sehen unsere Missionäre oft nichts Arges darin, wenn wir einmal hinten in Asien, mitten in der Sabbathstille der Natur, ein Städtchen bombardiren, das keine englische Waare nimmt. Ein kleines Bombardement zur Ausbreitung des Handels und der Gesittung gehört ohne Zweifel zu jenen Werken der Nothwendigkeit und christlichen Liebe, die auch am Tage des Herrn erlaubt sind.
Der Londoner Sonntag gestattet immer noch viele ungeistliche Beschäftigungen und hat in den Augen frommer Briten immer noch frivole und allzu weltliche Neigungen. Nur die öffentlichen Arbeiten und Unterhaltungen beschränkt er auf eine kleine Zahl; meinen häuslichen Freuden und Bequemlichkeiten, so versichert der aufgeklärte Londoner, legt er nichts — d. h. nicht allzuviel — in den Weg. Kein Pastor, kein Polizeimann hat das Recht, mich zur Kirche zu schleppen. Eine Parlamentsacte aus der Regierungszeit der Königin Elisabeth belegt zwar das Wegbleiben vom Sonntagsgottesdienst mit einer Geldbuße, doch wer sürchtet in London ein veraltetes Gesetz? Die Acte ist meines Wissens nur ein Mal in neuerer Zeit zur Anwendung gekommen, als nämlich, wie Lord Brougham einst im Oberhause erzählte, ein ländlicher Friedensrichter ein paar Bauern, die ihn durch unerweisbare Kaninchendiebstähle geärgert hatten, nicht anders als mit Hilfe der lang verewigten Königin Elisabeth zu verdonnern wußte. Nein, ich bleibe zwischen meinen vier Pfählen, lese, schreibe, rauche, begieße Blumen, so lange ich will. Wenn ich nicht zufällig bei ängstlichen Leuten als Aftermiether wohne — und ein respectabler Mensch hat immer ein Haus für sich — so darf ich lachen, ja pfeifen, plaudern. Schach spielen kann ich, denn mein Haus ist meine Burg. Mr. Daffke sieht es gern, wenn seine Tochter nach Tische sich ans Clavier setzt, nur schließt er vorher sorgsam alle Thüren, verhängt alle Fenster und ersucht Miß D., immer erst ein bischen Kirchenmusik torts und darauf eine Polka Muo zu spielen. Doch wohlgemerkt — denn Mr. Daffke ist ein unabhängiger Mann, der keinen Credit braucht — Niemand zwingt ihn, solche Vorsicht anzuwenden; er thut es freiwillig aus zarter Achtung für die Gefühle der Nachbarhäuser. Und ähnliche Rücksichten beobachten seine Nachbarn gegen ihn.
Wenn es nicht regnet, darf ich in den Parks lustwandeln oder ausfahren