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Die Organisation der liberalen Nationalpartei.
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tatorische Form zerschlagen, ihren früheren Zusammenhang durch ganz Deutsch­land gelöst. Was sich in der Gestalt parlamentarischer Parteien erst im Reichstage und dann im Zollparlament aus den alten Elementen wiederge­bildet hat, erfüllt nur zum Theil die Functionen, welche vormals theils der Nationalverein und dessen permanente Organe, theils der Abgeordnetentag ausübten. Allerdings haben die Nationalliberalen in den Berliner Parlamenten einen unmittelbarern Einfluß auf Deutschlands Geschicke, wie weder der Abgeordnetentag noch der Nationalverein; aber deswegen ist. noch nicht schlechthin alles überflüssig geworden, was diese letzteren ihrer Zeit leisteten, und könnte in der vorgerückten Epoche mit einem geringeren Aufgebot von Kräften und Mitteln ungleich Vollkommeneres geleistet werden.

Das Gefühl, daß hier etwas Wesentliches fehle, hat sich neuerdings überall geltend gemacht, wo Parteigenossen frei von drängenden Tagessorgen bei­sammensaßen. Sowohl neben dem Juristentage in Heidelberg wie neben dem Volkswirthschaftlichen Congreß in Mainz gingen Besprechungen her, welche Abhilfe für diesen Mangel suchten. An den genannten beiden Orten lag selbstverständlich das süddeutsche Interesse zunächst. Wie zwischen den natio­nalliberalen Parteien der viertehalb süddeutschen Staaten das Band flechten, welches wenigstens die Angehörigen der kleineren unter ihnen schmerzlich ver­missen und welches jeder Zeit geeignet wäre, denSüdbund" der Radicalen, Ultramontanen und Particularisten von einem ins Mark dringenden schäd­lichen Einfluß auf unsere nationale Integrität wirksam abzuhalten?

' Die Lage ist keineswegs in allen diesen Staaten dieselbe. In Württem­berg und Hessen steht die liberale Nationalpartei Ministern gegenüber, die keine schonende Rücksicht verdienen; in Bayern hingegen scheut sie wohl mit Recht davor zurück, den Fürsten Hohenlohe entweder im Stich zu lassen, oder gewaltsam vorwärts zu drängen, und in Baden endlich kann man höchstens zweifelhaft sein, wessen Patriotismus entschlossener und klarer ist, der der Re­gierung oder der der Partei. Aus dieser Situation im Einzelstaat geht bet den Hessen und Württembergern naturgemäß eine lebhafte Neigung hervor, den Kampf jeden Augenblick aufs Aeußerste zu treiben. Sie sind über die Zeit des Transigirens mit dem angestammten Particularismus und selbst mit der sogenannten süddeutschen Stimmung hinaus. Sie scheuen vor der Forderung des unverzüglichen und unbedingten Eintritts in den Nordbund, ja unter Umständen auch wohl vor der Annexion durch das zu Deutschland aus­wachsende Preußen nicht zurück. Schon in Baden herrscht natürlich, trotz der Klarheit und Entschlossenheit der Regierung, trotz ihres Einverständnisses mit der Landtagsmehrheit, und obwohl der Großherzog seine Bereitschaft zu den im Interesse des Vaterlands erforderlichen Opfern wiederholt vertrauens­würdig kundgegeben hat, eine weitergehende Rücksicht auf das Bestehende,