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Aus Nordschleswig.
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wenigstens die Dannevirke in Hadersleben, die der politisch gewiegte Hjort- Lorenzen schreibt, sich von Anfang her kühl zu dem Vorschlage gestellt. Sonst hätten wir ein Schauspiel erleben können, das Niemandem aufrichtige Freude bereitet haben würde, außer etwa dem in Einfällen schwelgenden Schreiber der Staatsbürgerzeitung. /

Welcher Regierung der Welt ist es jemals in den Sinn gekommen oder kann es jemals in den Sinn kommen, einem beliebigen Ausschnitt der ihrer Fürsorge anvertrauten Bevölkerung das Recht zuzugestehen, über ihre Zuge­hörigkeit zu diesem oder irgend einem anderen Staate nach ihrer eigenen Willkür öffentlich abzustimmen? Der staatliche Zusammenhang bindet nicht blos einseitig, sondern gegenseitig. Die Glieder einzeln haben nicht die sou- veränen Rechte der Gesammtheit. Wollte Preußen insbesondere einen solchen staatsauflösenden Grundsatz anerkennen wozu kein Staat beiläufig be- merkt, weniger in der Lage und Meinung sein kann als grade Preußen, das die Mission hat, der deutschen Nation ihren Staat zu bilden, so müßte doch den Polen in Westpreußen, Posen und Oberschlesien billig sein, was den Dänen in Nordschleswig recht ist, und wo wäre da das Ende blutigster Verwicklungen?

Es ist nicht wenigen klar, daß die gegenwärtige preußische Regierung den berühmten sünsten Artikel des Prager Vertrags unmöglich in dem Sinn der spontanen Volksabstimmung verstanden haben kann. Sonst hätte sie ja die Last nicht auf sich nehmen brauchen, mit Dänemark über Abtretung eines Stückes Land ohne Volksabstimmung zu unterhandeln und sich anderen Mächten gegenüber wegen verzögerter Erfüllung des Artikels V. zu rechtfer­tigen. Kurz, die ganze Idee war sinnlos.

Das hat man denn bald nach der Mitte des August auch in Kopenhagen begriffen. Es erging Befehl, die erregten Hoffnungen zu dämpfen. Herr Ahlmann von Augustenburg, Reichstags- und Landtags-Mitglied in Berlm und Agent der Kopenhagener Propaganda im südöstlichen Nordschleswig, sagte die Abstimmung ab und gab statt dessen, um die Fluth der einmal auf­gereizten Veränderungswünsche doch nicht ganz im Sande verrinnen zu lassen, die Losung aus: Massen-Petitionen um Vornahme der Volksabstimmung von Staats wegen. Diese also werden wir über uns demnächst ergehen lassen müssen.

Mittlerweile ist in Dänemark selbst eine Umstimmung zu Tage getreten, von welcher wir in Deutschland alle Ursache haben Notiz zu nehmen. Seit einer Reihe von Monaten befehden sich die beiden Hauptvrgane des dänischen Nationalliberalismus,Fädrelandet" undDagbladet", und in der Hitze des Gefechts verlauten Dinge, deren Interesse weit über den Inhalt eines ge­wöhnlichen Zeitungsstreites hinausliegt, die aber ohne eine solche Versuchung vielleicht noch lange ungesagt geblieben wären. Es handelt sich dabei wesent­lich um das Verhältniß zu uns und unserer neuesten nationalen Entwicklung. Dagbladet" setzt seine Hoffnung, daß ein mehr oder minder großes Stück des 1864 verlorenen Bundesbesitzes an Dänemark zurückfalle, auf den armen stein­kranken Kaiser Napoleon,Fädrelandet" hingegen, ohne natürlich Frankreich von der Ehrenpflicht loszusprechen, die es mit der Bereicherung des Prager Friedens um den Art. V übernommen hat, auf eine innere Umstimmung des deutschen Volkes. Demzufolge behandelt jenes unsre Tagesgefchichte im Stil gewisser Stuttgarter, Wiener und Pariser Scribenten. unsre Freiheit als mit dem seligen deutschen Bundestag begraben oder mit den Exdespo- ten von Hannover und Kassel landflüchtig geworden, währendFädrelandet" in der Stiftung des Norddeutschen Bundes einen Sieg der Nationalitäts- Jdee erkennt, welcher der Freiheit nichts gekostet hat. Daß es von diesem Stand- Punkte aus seinen Lesern die laufenden Ereignisse erzählt, ist inDagbladets." leidenschaftlich getrübten Augen gradezu ein Verbrechen an der höheren Vater-