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Die Gerichtsverfassung und der norddeutsche Bund.
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zielten Leistungen in der Verwaltungsorganisation hervor, wo die Noth­wendigkeit zwischen die unteren Instanzen und die wenige Meilen davon resi- direnden obersten (Zentralstellen (die Ministerien oder wie sie sonst heißen) eine weitere Instanz einzuschieben, und mit den für die verschiedenen Ge­schäftsbranchen erforderlichen speciellen Arbeitskräften auszustatten, in Hessen- Darmstadt z. B. zur Errichtung einer ganzen Anzahl von Landeskollegien für die einzelnen Dienstzweige, und damit zu einem Aufwand? an wissenschaftlich gebildetem Beamtenpersonal geführt hat, wie es zur Besetzung der verschie­denen Regierungen einer großen preußischen Provinz mit so und soviel Millionen Einwohnern vollkommen ausreichen würde.

Man sieht also, nach allen Richtungen hin tritt in den kleineren Staaten in der Organisation der Gerichts- und Verwaltungsbehörden dieses Mißver­hältniß zwischen Aufwand und erzielten Leistungen hervor, welches wir oben als politischen Kleinbetrieb bezeichnet haben, und welches bisher nur aufrecht erhalten werden konnte, weil der Staat seiner kostspieligsten Aufgabe mehr oder weniger enthoben war, dieser Zustand kann aber jetzt gegenüber der Theilnahme auch dieser Staaten an den militärischen und maritimen Aufgaben des Bundes auf die Dauer nicht mehr aufrecht erhalten werden, um so weniger, als gegenüber den veränderten Verhältnissen und gegenüber der Thatsache, daß immer mehr gerade die tüchtigsten Kräfte in denjenigen Kreisen, aus welchen sich der Beamtenstand zu orientiren pflegte, anderen Berufen sich zuwenden, eine ganz erhebliche Aufbesserung der Beamtenge- halte nicht lange mehr vermieden werden kann/)

Eine Beseitigung dieses durchaus unwirtschaftlichen Zustandes ebenso unwirtschaftlich, wie wenn man eine Nähmaschine mit einer starken Dampf­kraft treiben wollte ist nur dadurch möglich, daß die kleineren Staaten end­gültig und im Princip darauf verzichten, als in sich abgeschlossene, die ganze Fülle der Staatsaufgaben und die ganze Fülle der staatlichen Machtmittel in sich allein tragende Staatswesen fortexistiren zu wollen. Sie müssen sich

') Mit der demnächstigen Freigebung der Advocatur wird sich diese Nothwendigkeit "och viel dringender geltend machen, wenn der Staat nicht gerade auf die tüchtigsten und be­währtesten Kräfte bei der Besetzung der Richter- und mancher sonstiger Beamtcnstcllen soll ver­zichten müsse». Wir sagen mit der demnächstigen Frcigcbung der Advocatur. denn nicht "llein, daß sich die Anschauungen hierüber jetzt so ziemlich allgemein abaeklärt und im Sinn d°r Frcigcbung osficicllc Anerkennung gefunden haben; das Zusammentreffen mit der Ein­führung der neuen Proceßordnung, welche wohl ebenfalls viel neues Personal in Anspruch nehmen wird (denn man kann doch den neuen Wein nicht in alte Schläuche füllen und ab. llcnutzte, für die Aufnahme des Neuen nicht mehr genügend lebensfrische Naturen werden ohne Schädigung der Justizpflcge nicht beibehalten werden können), vermag auch den Uebergang so wesentlich zu erleichtern, daß diese Gelegenheit zu versäumen geradezu unverantwortlich wäre und später ebenso bitter bereut werden würde, wie man jetzt bereut nicht seinerzeit zur Gold­währung übergegangen zu sein, als noch der Silberabfluß »ach Osten frei war und die damals noch gesicherte Doppclwährung in Frankreich diesen Uebcrgang ohne Verluste möglich machte.