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schaft mit Oestreich, da man nicht wissen könne, ob nicht im Fall eines Krieges Frankreich zu Eroberungen gedrängt werde, nach Wien schickte er Rathschläge zur Mäßigung und zu konstitutionellen Reformen. Aber Metternich verabscheute, wie er in einer selbstgefälligen Depesche vom 3.° Januar an seinen Gesandten in Rom ausführte, den Liberalismus nicht minder als die Revolution, und nach den Februartagen suchte er Lord Palmerston beweglich vorzustellen, daß Europa um ein halbes Jahrhundert zurückgeworfen und sich wieder Angesichts der unheilvollsten Tage der ersten Revolution befinde. Mit der steigenden Aufregung in der Lombardei wurden die Beziehungen zwischen Wien und Turin von Tag zu Tag schlechter, die gegenseitigen Recriminatio- nen bitterer. Noch einmal versuchte es Metternich, in Turin die alte Saite anzuschlagen und des Königs bekannte Abneigung gegen die republikanische Negierungsform durch den Hinweis auf die Ereignisse in Frankreich auszubeuten. Er betonte das gemeinsame Interesse der gefährdeten Throne und versprach, in dem noch immer schwebenden Zollstreit mit Ptemont die entgegenkommendste Selbstverleugnung, wenn Karl Albert bei den Hösen von Rom, Florenz und Neapel die Initiative zu einem Defensivbündniß mit den Höfen von Wien, Modena und Parma zum Schutz gegen die einbrechende republikanische Sündsluth ergreifen wolle. Eine Antwort auf diesen Vorschlag erfolgte nicht mehr. Am 22. März brach Graf Buol die diplomatischen Beziehungen zum Turiner Hofe ab. Die Revolution in Mailand und der Hilferuf der Lombarden nöthigten jetzt Karl Albert den Entschluß auf, den er so lange in sich getragen und als die Krone seines Lebens festgehalten hatte.
In seiner Proclamation vom 23. März an die Völker der Lombardei und Venetiens erklärte Karl Albert, daß er aus Liebe zur Nation und im Verständniß der Zeit mit seinem Heere den unerschrockenen Vertheidigern der niedergetretenen Rechte Italiens die Hilfe bringen wolle, die der Bruder vom Bruder erwarte. Wenn er aber gleichzeitig der Diplomatie erklärte, daß er genöthigt sei in der Lombardei einzurücken, um Piemont von den Gefahren der Revolution zu retten, so war das nicht blos Vorwand oder diplomatische Zweideutigkeit. Die Bevölkerung verlangte stürmisch den Nationalkrieg und es war überdies ein Lebensinteresse Piemonts. daß die Lombardei nicht, allein gelassen, in falsche Wege gerieth und nach dem Beispiel Frankreichs die Republik ausrief. Karl Albert trat in diesen Krieg, in welchem er seine Krone aufs Spiel setzte, mit dem alten Programm, wie es in den piemontesischen Staatsschriften zur Zeit vor und nach dem Wiener Congreß aufgestellt worden war, und das auch die Zeiten der stupidesten Reaction und der blindesten Hingabe an Oestreich nicht aus dem mahnenden Gedächtniß der subalpinischen Staatsmänner hatten auslöschen können. Dieses Pro-