Die Bedeutung von Lyon lag in seinem Handel; eine ganze Welt von Industrien und Gewerben bietet sich uns in den Inschriften dar; selbst die gewöhnlichsten Grabsteine gewinnen dadurch Interesse, daß die Familie des Verstorbenen nicht verabsäumte, Stand, Beruf und Ehren desselben möglichst ausführlich mitzutheilen. Von jeher hatte der Franzose die Neigung viel zu plaudern, die alltäglichsten Dinge mit großem Wortaufwande vorzubringen, und diese Liebhaberei übertrug er auch auf seine Grabschriften, welche indeß oft von dem esxrit. entfernt sind, den bereits der alte Cato den Galliern zuerkannte.
Lyon war der Mittelpunkt des gallischen Weinhandels; die sonnigen Hügel Burgunds, die sanft ansteigenden Ufer der Saone waren wie jetzt mit Rebenpflanzungcn bedeckt, deren feurige Producte nicht blos im einheimischen Lande verbraucht, sondern auch bis nach Italien und nach dem Norden hin exportirt wurden. Wohl ging es schon damals dem Germanen wie den Kneipqesellen in Auerbach's Keller; gegen den Römer mit seinen Steuern und Militairstaaten sträubt er sich mit aller Macht, „doch seine Weine trank er gern"! Nicht nur die Weinhändler waren sehr zahlreich, sondern eine ganze Classe von Schiffern auf der Rhone und Saone war ausschließlich mit dem Transport der Weine beschäftigt; sie fuhren mit ihren langen, schmalen Kähnen bis Marseille, wo dann die Weinschläuche auf größere Schiffe geladen wurden. An den Flußufern standen große Lagerhäuser und wir erkennen eine ähnliche Erscheinung wie jetzt in der Halle gux vins zu Paris. Die bedeutenden Handelshäuser besaßen neben dem allgemeinen Magazin ein kleines Comptoir, so daß eine förmliche Hüttenstadt neben den lang hingestreckten Weinschuppen entstand; diese hatten ihre eigene Polizei und eigene Aufseher.
Die Zollbeamten fehlten auch nicht; eine 2Vsprocentige Steuer bestand für alle möglichen Aus- und Einfuhrartikel, und der Wein wird besonders unter den besteuerten Gegenständen genannt; auch die Pelze, das Getreide, womit Lyon wie ganz Gallien einen bedeutenden Handel trieb, waren diesem Zolle unterworfen. An fast sämmtlichen Heerstraßen können wir die Stationen dieser Mauthbeamten erkennen, und sie bis in die Alpenpässe verfolgen.
Die Schifffahrt wird durch die Lage der Stadt natürlicherweise befördert und sie scheint auch blühend gewesen zu sein. Die Schiffer, wie die übrigen Handwerker und Gewerbetreibenden, sehen wir hier in Genossenschaften vereinigt, die an unsere Zünfte und Gilden erinnern; wenn wir von dem splenäiäissiwum eorpus llautarum hören, denken wir unwillkürlich an die hochwohllöbliche «schifferzunft. Von ihren Satzungen wissen wir indeß so gut wie nichts; wir wissen, daß sie Vorstände hatten und daß sie nur mit Erlaubniß der kaiserlichen Regierung bilden durften. Auch wird genau unterschieden zwischen Schiffern auf der'Rhone, Schiffern auf der Saone und Schiffern auf beiden Flüssen. Es ist wohl kein Zufall, daß wir weit mehr Schiffer auf der Saone finden als auf der Rhüne; denn der letztere Fluß ist reißend und die Schifffahrt darauf jetzt noch schwierig und nicht sehr entwickelt.
Sehr zahlreich sind die religiösen Genossenschaften, bei denen jedoch die Religion oft nur Vorwand war; jährlich wurde ein Schmaus abgehalten und die Mitglieder genossen Grabesgemeinschaft.
In einer so gemischt bevölkerten Stadt, wohin aus allen Theilen des Landes Kaufleute zusammenkamen, mußte eine große Unordnung in den Münzen herrschen; demnach ist es natürlich, daß'wir sehr vielen Wechslern begegnen.