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Meditations, der neben einigen großartigen (wir erinnern an die Ode an Napoleon) die anmuthigsten seiner Gedichte enthält, die Freude an heiterem Lebensgenuß und die Erinnerung an die brausende Jugendlust und Jugendfrische in ost heiteren Accorden nachklingt, so hat er in den Narmonies reli- ZieusLZ sich in eine religiöse Stimmung hineingesungen, die sich zuweilen bis zu einer der Natur des Dichters garnicht recht entsprechenden Weltverleugnung steigert. Er klagt sich in Wendungen, die an das horazische xarou8 Ä6oruin eultor erinnern, an, seine Harfe zu weltlichen Tönen entweiht zu haben (wobei er wohl besonders einige Gedichte der „Neuen Betrachtungen" im Auge hat). Er legt das seierliche Gelübde ab, nur dem ewigen Namen Gottes zu singen. Sein Leben soll nur noch ein ewiger Begeisterungstaumel (Mlire) sein, seine Seele ein Lobgesang, sein Herz eine Lyra und jeder Athemhauch ein Accord zum Lobe des Höchsten.
Ein eigentlich dogmatisches oder gar streng katholisches Element tritt übrigens auch in den Harmonien nicht hervor. Auch in ihnen ist sein Standpunkt der des allgemeinen Gottesbewußtseins, des einfachen, jeder con- fesfionellen Bestimmtheit entbehrenden Monotheismus. Gott ist ihm, von einigen pantheistischen Anklängen abgesehen, der geoffenbarte, persönliche Gott. Er ist ihm der Vater der Natur, der Urquell der Liebe, Tugend und Begeisterung, der Lenker der Welt und der menschlichen Geschicke, zu dem der Mensch sich im Gebete erhebt. Lamartine ist tolerant gegen jedes besondere Be- kenntniß, wie er in seiner Reise in den Orient, — obgleich dieselbe offenbar grade darauf berechnet ist, sein religiöses Bewußtsein zu beleben und mit bestimmten, wir möchten sagen, plastischen Bildern zu füllen, — wiederholt auch dem Muhamedanismus Gerechtigkeit widerfahren läßt und an einigen Stellen sogar mit großer Anerkennung von den Bekennern desselben und von der Lebendigkeit ihres Gottesbewußtseins spricht. Die Offenbarung Gottes in der Natur ist ihm die tiefste Quelle der Religiosität, wie er denn in dem allerdings einer späteren Periode angehörigen Steinmetzen von Saint-Paul, dem Helden einer übrigens vielfach verfehlten, von übertriebenen, naturwidrigen Zügen entstellten Dorfgeschichte, einen Mann zeichnet, der ohne jede Bildung (er kann weder lesen, noch schreiben), ohne jede religiöse Unterweisung, nur durch die Betrachtung der Natur und den erhebenden und läuternden Einfluß eines tragischen Lebensschicksals zur tiefsten Erkenntniß des göttlichen Wesens gelangt ist.
Wie in den Harmonien die religiöse Stimmung gesteigert ist. so hat auch die Darstellung im Vergleich zu den Betrachtungen noch an Pracht und Farbengluth gewonnen, worin wir indessen, da bei Lamartine nicht selten die Fülle der leicht fließenden Darstellung den Gedankengehalt überwuchert und der Glanz oft der Durchsichtigkeit, die Farbenfülle der Be-