181
keit in dichterische Gebilde umgewandelt, nicht selten zu Nebelgestalten verflüchtigt.
Trotz der Erfolge der Frau von Staöl und Chateaubriands, der in den herrschenden Kreisen ebenso als Dichter wie als begeisterter Roycilist gefeiert wurde, behauptete die Classicität doch in den ersten Jahren der Restauration noch ihren ererbten Platz. Sie blickte mit Hochmuth auf die ersten Regungen des Romanticismus herab, ohne die Kraft in sich zu fühlen, den jugendlichen Vorkämpfern der neuen Richtung ebenbürtige Jünger Boileaus entgegenzustellen. Da erschienen 1820 Lamartine's Nöäit>g.t>ion3, die um so mehr Aufsehen erregten, als Lamartine, obwohl von der immer mächtiger fluthenden neuen Strömung getragen, doch äußerlich zu keiner Schule hielt, sondern durchaus selbständig und eigenartig auftrat, indem er die höchsten Gegenstände des menschlichen Denkens und Empfindens in den Kreis seiner dichterischen Betrachtungen erhob und sich zu dem Anspruch verstieg, umwälzend und neugestaltend in das ganze geistige Leben der Nation einzugreifen und den Skepticismus des 18. Jahrhunderts durch die Fluch einer volltönenden, mit dem Zauber eines die Sinne umstrickenden Wohllauts und einer schimmernden, bilder- und wortreichen Darstellung ausgerüsteten Poesie, wegzuschwemmen. Und in der That war die Wirkung, die Lamartine's erste Dichtungen auf die Zeitgenossen, und zwar keineswegs blos auf erclusive Kreise, sondern ganz allgemein ausübte, eine außerordentliche, und man kann wohl behaupten, daß der Beifall, den sein Erstlingswerk fand, beträchtlich über den Werth desselben hinausging. Die äußerlich noch herrschende, innerlich bereits abgestorbene classische Richtung konnte nicht mehr das ästhetische und das geistig-sittliche Bedürfniß der an sich selbst und an der Welt irre gewordenen Nation befriedigen. Man sehnte sich nach einer Quelle der Verjüngung, nach einem Trank der Erfrischung. Wer es nun wie Lamartine verstand, Vorstellungen und Ideen, die in der gebildeten Gesellschaft lange Zeit geächtet gewesen waren und für Fanatismus und Aberglauben galten, in eine schöne und bestechende Form einzukleiden, konnte des Erfolges sicher sein. Man fühlte sich in anmuthigster Weise ästhetisch angeregt, und konnte den Ideen, die in so schöner Form auftraten, das Bürgerrecht in den Salons nicht versagen, zumal da man sich recht gut in eine gewisse Begeisterung für des Dichters Ideale hineinlesen konnte, ohne sich deshalb zu einer geistlichen und sittlichen Ein- und Umkehr gezwungen zu sehen und geradezu mit den alten Vorstellungen zu brechen.
In der Reise in den Orient bezeichnet Lamartine als die Grundstimmung seiner Seele die Begeisterung für die Natur und für ihren Schöpfer. Er selbst knüpft diese doppelte Begeisterung an die Eindrücke, die er in der