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böhmen haben gethan, was sie von jeher zu thun gewohnt waren, — sie haben nach der Polizei und nach Verstärkung der bewaffneten Macht gerufen und dieser überlassen, das Ansehen und den Einfluß des deutschen Namens wiederherzustellen.
Vielleicht den Elsaß allein ausgenommen, hat das deutsche Element an keinem der vielen Punkte, wo es mit fremden Völkern im Kampf liegt, eine so matte und apathische Haltung gezeigt, so viel an seiner prekären Lage mitverschuldet, wie in diesem Lande. Seit Jahr und Tag ist die Welt mit dem Lärm erfüllt, den die böhmischen Nationalparteien gemacht haben; die Deutschen vermochten es zu keiner einzigen öffentlichen Kundgebung ihres Entschlusses zu bringen, ihre Rechte auf diesem Boden zu behaupten, sie ziehen es vor, den ihnen angebotenen Kampf von den Organen der östreichischen Polizei ausfechten zu lassen, und wundern sich hinterher noch, wenn die Slawen grade so handeln und reden, als hätten die deutschen Ansprüche auf Böhmen keinen anderen Titel, als das Habsburgische Hausinteresse anzuführen.
In Deutsch-Oestreich ist der Proceß des Bischofs von Linz das fast ausschließliche Tagesinteresse. Daß der Kaiser die Gerichte ihre Pflicht thun läßt, wird als Bürgschaft für ein analoges Verhalten in allen künftigen Conflicten mit der Kirche angesehen. Das katholische Tyrol, das einer Landtagsauflösung entgegensieht, hat in dem Landeshauptmann Haßlwanter einen seiner rüstigsten Kämpen verloren, beobachtet in der Schulfrage aber nach wie vor seine ablehnende Haltung. — Die östreichische Diplomatie hat auch in den letzten Wochen bewiesen, daß sie unbekümmert um die inneren Nöthen des Kaiserstaates auf der Jagd nach auswärtigen Verwickelungen ist, natürlich solchen, welche einen preußisch-französischen Conflict beschleunigen könnten. In aller Stille hat der Staatskanzler in Brüssel wie in Paris zu verstehen gegeben, daß die von Belgien geäußerte Abneigung gegen eine Zolleinigung mit Frankreich nicht darauf rechnen könne, an Oestreich einen Rückhalt zu gewinnen, daß die Napoleonischen Bestrebungen vielmehr von den besten Wünschen des Wiener Cabinets begleitet seien. Man wird sich das in London ebenso gut zu merken wissen, wie in Berlin und Brüssel.
Die Annäherung Oestreichs an Italien hat während des letzten Monats keine Fortschritte gemacht. In Florenz ist man zur Zeit auch kaum in der Lage, von Anerbietungen der einen oder der andern fremden Macht praktischen Gebrauch zu machen, denn die innere Auflösung nimmt beständig zu und findet in der Zerfahrenheit des Parlaments ihr getreues Wiederspiel. Selbst der Versuch der bairischen Regierung, das italienische Staats- und National- interesfe gegen Ausschreitungen des nächsten ökumenischen Concils zu engagiren, hat kein entschiedenes Entgegenkommen gefunden, weil die Regierung von der Hand in den Mund lebt und zu tief in die Sorgen des Augenblicks verstrickt ist, um ohne dringende Nölhigung an die Zukunft zu denken. Vielleicht rechnet man darauf, daß die Curie überdies die katholischen Mächte fast ausnahmelos zu Gegnein haben wird, wenn sie die Kreise des Staatsleoens zu stören versucht. Nicht nur, daß Frankreich Miene macht, seinen Eifer für das Erbgut Petri abzukühlen, daß der Papst mit Oestreich und Baiern in offenem Hader liegt, — in Spanien geht die ausschließliche Herrschaft des Katholicismus auf die Neige. Während die politische Zukunft dieses Staates trotz der feierlichen Verkündigung der Verfassung und trotz der Annahme des Regentschaflsgesetzes grade so bewölkt ist, wie vor sechs und vor zwölf Monaten, und die Republikaner ihr Möglichstes thun, um ein friedliches Einleben in die neuen Verhältnisse zu stören, — ist auf kirchlichem Gebiet durch Annahme der Art. 20 und 21 des Lersassungsentwurfs ein großer Fort-