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Die deutsche evangelische Gemeinde in Bukarest.
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Zeit nicht gefehlt hat, gab die Verschiedenheit der Gesetzgebung in Ehesachen zwischen Preußen und Oestreich und das Verhältniß zwischen der evange­lischen und katholischen Geistlichkeit in der Frage der gemischten Ehen Ver­anlassung, besonders während der östreichische Consul Laurin fungirte, der auf strenge Befolgung der in Oestreich durch das Concordat geschaffenen Ehegesetze für diejenigen Gemeindemitglieder hielt, die östreichische Unter­thanen sind. Fast ein Drittel der Ehen find gemischt, und nicht nur in Bezug auf die Confession sondern auch auf die Staatsangehörigkeit. Der damalige Pfarrer Neumeister, kein Siebenbürge, sondern aus dem Eoburgi- schen, sowie der preußische Consul von Meusebach suchten bei dieser Gelegen- die preußische Regierung zu veranlassen, daß sie Oestreich zum Verzicht auf das Patronat über die evangelische Gemeinde bewege, selbst aber auf das über die katholische verzichtete, wie z. B. das Verhältniß in Jassy ist, vor­läufig ohne Erfolg. Der Pfarrer strebte auch dahin, daß von den auf zwei erhobenen Pfarrstellen die eine königlich preußische Patronatsstelle wurde, deren Inhaber für seine in Bukarest geleisteten Dienste für sein Alter An­spruch auf Versorgung in Preußen gewinnt.

Jetzt befinden sich die Verhältnisse der Gemeinde in günstiger Lage. Sie hat seit 1853 eine massive Kirche, einen eigenen Friedhof, Pfarrhaus, Knaben- und Mädchenschule, zwei Geistliche und fünf Lehrer. Stimmfähige Gemeinde- Mitglieder werden zwar nur 200 gezählt, doch berechnet der Verfasser die Gesammtseelenzahl auf etwa 3300. Genau feststellen läßt sich die Zahl nicht wegen der Höhe der fluctuirenden Bevölkerung, wegen der Zugehörigkeit der Einzelnen zu verschiedenen Consulaten, und weil viele sich weder bei ihren Consulaten noch bei der Gemeinde melden, um die Matrikelgelder zu sparen. Die Schulen besuchen 328 Kinder, darunter über 100 römisch- oder griechisch, katholische.

Hat die Gemeinde ihre Autonomie in schweren Kämpfen bewahrt, so ist sie durch den Anschluß an die Gustav Adolf-Stiftung doch aus ihrer Jsolirung gelöst. Der vor einigen Jahren nach Deutschland zurückgekehrte Pfarrer Neu­meister hat indeß seine Idee, die Bukarester Gemeinde mit den sieben anderen der Donaufürstenthümer zu einem Gesammtzweigverein der Gustav-Adolf-Stiftung zu verbinden, nicht verwirklichen können; auch bleibt die eventuelle Realisirung des öfter betriebenen Projects der Errichtung einer evangelischen Superinten- dentur in Bukarest, dessen Gemeinde nicht nur die hauptstädtische sondern auch die älteste ist, einer weiteren Zukunft überlassen. Es stehen der Durchführung dieser Pläne mancherlei Hindernisse entgegen, die in der dogmatischen Richtung des Berliner Oberkirchenraths und in seiner Stellung zu der Selbständigkeit der Gemeinden liegen. Um seinem Buche die brav durchgeführte Objeetivität zu Vrenzboten II. 18V9. 65