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Aus dem russischen Hof- und Staatsleben des 18. Jahrhunderts. I.
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nen Grund, die Tage zurückzuwünschen, da der Deutsche sich nur im Aus­lande hervorthun und die Größe seiner Race bethätigen zu können schien, da er die stolzesten Lorbeeren gerade im Kampf gegen die heimathliche Erde erwarb. Seit wir wissen, wo die Wurzeln unserer Kraft ruhen, haben die Talente der Nation würdigere Zielpunkts gefunden, als die Ritterschaft in fremder Herren Länder, ist die Lehre, daß der deutsche Stamm kein eigenes Ackerfeld zu bilden habe, sondern bestimmt sei, denDung der Welt", den Civilisationshumus für die ganze Erde zu bilden, geworden, was sie von je gewesen, eine Fabel, von der Verzweifelung ausgesonnen und vom Klein­muth nachgesprochen.

Aber der Reiz, der das mächtige Thun jener nach Norden, Süden und Osten versprengten Heldengestalten, vergangener Jahrhunderte umgibt, hat darum nicht aufgehört, Anziehungskraft auf den Freund vergangener Dinge zu üben. Gerade weil das Beispiel dieser Auswanderer aufge­hört hat, gefährlich und verlockend zu sein, dürfen wir dem Interesse nach­geben, das jene mächtigen Gestalten der Vorzeit, vor Allem die Ostermann, Münnich und Biron in Anspruch nehmen. Das Contingent, das Nord­deutschland und ganz besonders der Küstenstrich an der Nord- und Ostsee zu damaliger Zeit in die Cabinette und Armeen Rußlands lieferte, ist so be­deutend, daß die Namen vieler Männer, welche in ihrer neuen Heimath nach­haltigsten Einfluß auf die inneren und äußeren Geschicke derselben übten, kaum bekannt geworden sind. Neben und hinter dem deutsch-russischen Triumvirat, das wir oben genannt, steht eine ganze Legion streitbarer und staatskluger Männer, welche ihre Namen in die Blätter der russischen Geschichte gegraben haben, nicht immer sittlich reine Charaktere, oft sogar mit den Fehlern der alten und der neuen Landsmannschaft behaftet, aber stets hervorragend durch Thatkraft, weiten Blick, zähe Ausdauer und unerschrockenen Muth im Durchschnitt Menschen mit geborenem Beruf zur Herrschaft über andere Menschen.

Von der Mehrzahl dieser deutsch-russischen Glücksritter des 18. Jahr­hunderts läßt sich nicht einmal sagen, daß sie ihre" Nationalität aufgegeben hätten. So groß war das Gefühl des Uebergewichts, das diesen Emigranten aus der Herrschaft über ihre Umgebung erwuchs, daß sie sich ihrer Natio­nalität erst in der Fremde recht bewußt wurden und ihren Stolz darin setzten, Deutsche zu bleiben. Wohl ließen sie sich mit Land und Leuten in Nuß­land beschenken und mit den von Peter gestifteten Ordenszeichen schmücken; wenn es sich aber darum handelte, sie mit Rang und Wappen zu ehren, so bedangen sie sich Diplome des heiligen römischen Reichs aus und die russi­schen Herrscher mußten die Gefälligkeit des Wiener Hofs in Anspruch nehmen, um den Wünschen der stolzen Fremdlinge zu genügen. Von einem Aufgeben der