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Die kirchlichen Zustände der Provinz Hannover : Correspondenz aus Ostfriesland.
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ser Hinsicht schwach genug gewesen war, der Kirche übermäßige und mit dem Staatswohl unverträgliche Rechte einzuräumen. Statt indeß den Trotz des Landesconsistoriums zu brechen, schickte der Cultusminister Mühler die Ange­legenheit zu nochmaliger Erwägung an diese Behörde zurück, welche dann in einer außerordentlichen Plenarsitzung, an welcher auch sämmtliche außerordent­lich« Mitglieder Theil nahmen, an dem früheren Beschlusse einfach festhielt. Seit Monaten liegt die Sache nun wieder in Berlin und es soll dort, wie man hört, beschlossen sein, vor Abgabe einer Entscheidung die hannoversche Landes­synode darüber zu hören.

Wir bedauern diesen Entschluß und hätten ein sofortiges entschiedenes Zurückweisen des Landesconsistoriums in seine Grenzen, für richtiger gehalten. Hoffentlich wird nun wenigstens jener Entschluß die gute Folge haben, daß die Landessynode, auf deren Zusammentritt das Land seit nunmehr fast fünf Jahren vergeblich wartet, endlich einmal einberufen wird. Stoff genug liegt vor für ihre Arbeiten und wenn wir auch wahrlich nicht überschwengliche Hoffnungen auf ihre Wirksamkeit setzen. frischeres Leben, als in den Be- zirksshnoden wird jedenfalls in ihr herrschen; die Aufmerksamkeit der Be­völkerung wird wieder mehr auf die wunden Punkte gerichtet werden, zu deren Heilung einmüthiges Zusammenwirken allein helfen kann.

Nachschrift.

Eben hatte ich vorstehenden Bericht geschlossen, als ich aus den Zeitungen ersah, daß eine e^UL« eelöbr«, die ein Helles Streiflicht aus die Orthodoxen wirft, ihren gerichtlichen Abschluß gefunden hat.

Angeklagt sind wegen Amtsehrenkränkung der orthodoxe Pastor S. (Stromburg) in N. (Novinthien), dessen Schwiegervater, ein Schullehrer M. (Müller) und 19 Bauern.

Der Thatbestand ist folgender: Pfarrer in N. ist der alte seit 46 Jahren in Amt stehende treffliche, ehrenwerthe aber trotz aller Beeinflussung von oben den freisinnigen Anschauungen seiner Jugendzeit treu gebliebene Pastor D. (Drechsler). Seit zwei Jahren ist ihm der junge hyper-orthodoxe Pastor als Collaborater beigegeben; derselbe wohnt bei ihm im Hause und wird als Sohn behandelt. Allein der alte Herr ist doch immer noch In­haber der Pfarrstelle und rüstig genug, noch manches Jahr zu leben. Es wird also versucht, ihn vom Amt zu entfernen: jede unvorsichtige Aeußerung, welche er macht, wird heimlich registrirt und gesammelt. Endlich scheint ge­nug Material gegen ihn vorhanden zu sein.

Der künftige Schwiegervater des Pastors S. setzt also eine Eingabe an das Consistorwm auf, in welcher Pastor D. beschuldigt wird,seit Jahren geflissentlich den schändlichsten Unglauben in der Gemeinde zu verbreiten;