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erst anlocken, es bilden, es erziehen. Der schönste Erfolg krönte das tapfere Streben: Pasdeloup's Aufführungen nehmen jetzt eine der ersten Stellen in dem Pariser Musikleben ein, und wenn in allen Classen der Gesellschaft nur etwas wahre musikalische Bildung und wahrer Geschmack zu treffen sind, so können wir es dem ausdauernden Wirken des um seine Kunst hochverdienten Gründers und Dirigenten der Loneerts populäres Dank wissen.
Bescheiden, mit geringen Kräften begann Pasdeloup sein Meformations- werk. Jetzt zählt sein Orchester ca. 100 Musiker (11 Contrabässe. 12 Celli, 13 Bratschen. 45 erste und zweite Violinen; die Bläser im Verhältniß). Die Concerte, die, seitdem sie im Jahre 1861 die Salle Herz verlassen, den in der Musikwelt schon ruhmreichen Namen der Ooncerts poMlairss tragen, finden im Lüi'yue Mxolsou (auf dem Loulsvarä äu lemplo) statt, einem kühnen, eleganten Bau des auf archäologischem Gebiete als Wiederentdecker der polychromen Architektur bekannten Hittorf. Hier versammeln sich jeden Sonntag um 2 Uhr Nachmittags (nur im Winter) viertausend Personen, alle von dem einen Wunsche beseelt, sich den Eindrücken der Meisterwerke deutscher Musik hinzugeben. Früh, sehr früh muß der kommen, der noch ein Sitzplätzchen erobern will, denn schon zwei Stunden vor Anfang des Concerts strömt es in dichten Schaaren nach dem Circus. Die billigen Preise (die letzten Plätze kosten 1. 25 und 75 c.) machen es Jedem möglich, sich diesen Genuß zu verschaffen, und wir sahen in der That öfter Arbeiter mit ihren Familien ganz oben auf dem dritten Platz, die andächtiger einer Beethoven- schen Symphonie lauschten, als der kahlköpfige mit dem obligaten rothen Vcindchen gezierte Bankier auf seinem bequemen Sperrsitze im Parquet.
Pasdeloup ist ein regelmäßiger Gast der niederrheinischen Musikfeste; Mancher Leser dieser Blätter hat wohl in den alten Räumen des Gürzenich oder in der heiteren Düsseldorfer Tonhalle den kleinen dicken, lebhaften Mann mit dem kurz geschorenen blonden Haar und den hellen klugen Augen gesehen, dessen Erscheinung etwas an Ferdinand Hiller erinnert. Ob er selbst componirt, wissen wir nicht; jedenfalls hat er eine seltene Selbstverleugnung bewiesen und dem Publicum nie etwas von sich selbst aufoctroyirt. Leider huldigt Pasdeloup einer jetzigen Mode, die sogar in die Sinfonie-Soire'en der königl. Capelle zu Berlin Eingang gefunden hat, wir meinen die Arrangements. Daß Mozart's türkischer Marsch in ^-irwll mit voller Janit- scharenmusik gegeben wird, wollen wir gern verzeihen, denn er klingt wirklich gar zu reizend, aber sein Clarinettenquintett mit sämmtlichen Geigen und einem Bläser, Adagio's aus seinen Streichquintetten ebenfalls mit allen Geigen, Beethoven's Septett mit einfachen Blas- und 12fachen Streichinstrumenten vorzuführen, ist doch ein arger Verstoß gegen die Intention der Meister: deutet doch schon die Opuszahl darauf hin, daß Beethoven