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der preußischen Handelsmarine gefahren hatten. Da nun fast alle Matrosen dieser Bedingung genügt hatten, so fehlten der Marine für das einzustellende Material gänzlich befahrene Matrosen, und wenn diese auch im Kriegsfall herangezogen wurden, so fehlte ihnen wieder völlig die militairische Vorbildung, namentlich in Disciplin, Gebrauch der Geschütze und Promptheit der Manöver. Bei der ersten ernsten Probe zeigten sich natürlich arge Unzuträglichkeiten; die „Vineta" in Danzig bedürfte sechs volle Wochen, um die zugetheilte Mannschaft zum Dienst nothdürftig vorzurichten, ebenso fehlte der Kanonenbootflottille eine seetüchtig ausgebildete Bemannung, was mehrfach Unfälle zur Folge hatte, auch die Indienststellung der „Augusta" wurde dadurch bis zum Ende der Feindseligkeiten verzögert. Etwas mehr mußte daher die Handelsmarine herangezogen werden. Denn auch seit Errichtung der Kriegsmarine waren im Interesse der Handelsflotte, der man die Kräfte nicht entziehen wollte, alle Seeleute, welche sich durch eine zweijährige Fahrzeit als Seeleute von Beruf ausweisen konnten, nicht blos vom Dienst in der Landarmee gänzlich befreit, sondern selbst ihre Verpflichtung zum Dienst auf der Flotte ruhte in Friedenszeiten und trat nur beim Ausbruch eines Krieges in Wirksamkeit, wo sie auf Kriegsschiffen eingestellt werden sollten. Wenn nun auch beim dänischen Kriege die Bemannung mit ungeübten Mannschaften im Betrag von ^/z der ganzen Stärke keine ernsten Gefahren bereitete, so ist doch nöthig, sich für künftige Zeiten in dieser Beziehung wirklich sicher zu stellen. Diese Nothwendigkeit hat dazu geführt, daß die norddeutsche Bundesverfassung das Institut der „Seedienstpflichtigen", welche im Frieden von allem Dienst befreit waren, gänzlich aufgehoben hat und eine dreijährige Dienstpflicht aller norddeutschen Seeleute auch für Friedenszeiten festsetzt. Sie hat damit nichts Anderes gethan, als was außer England und Amerika, deren Flotten bis jetzt nach dem Werbesystem bemannt werden, alle Kriegsflotten thun, in erster Reihe Frankreich mit seiner iliserixtioa maritime, ja auch England hat sich genöthigt gesehen, Seeleute aus der Handelsmarine — in einer seinen Verhältnissen entsprechenden Form — wie erwähnt als Koz^l Mval Reservö mit ca. 16—20,000 Mann —zur Completirung auf Kriegsfuß heranzuziehen. Indessen wird man bei uns durch diese Dienstverpflichtung der Handelsmarine nicht so drückende Fesseln auflegen dürfen, wie in Frankreich, wo die Handelsmarine in denselben allmälig verkümmert; man wird namentlich darauf sehen müssen, daß die factische Dienstzeit so viel als möglich abgekürzt wird. Es war nöthig, in der Verfassung der Staatsgewalt vorläufig ein Recht zu geben, wonach sie die Mannschaften drei Jahre lang in Dienst behalten kann; denn wie sollte es sonst möglich sein. Kriegsschiffe, welche nicht blos Stammmannschaften an Bord haben, zu Expeditionen in Ostasien zu verwenden, bet denen oft die Hin- und Rückreise allein die