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Bald kamen wir zu Thal; der Fluß ging noch in gelben reißenden Wogen. Hunderte von Menschen, alle in ihre blauen Kapuzen gehüllt, standen mit ihren Eseln und Karren an beiden Ufern und warteten, ob sich die Ueberfahrt ermöglichen würde. Man glaubt es kaum, daß dieser größte Fluß Siciliens so lange ohne Brücke bleiben konnte; eine jammervolle Fähre, auch für den gewöhnlichen Bedarf unzureichend, hat bis jetzt den Verkehr vermittelt. Das Volk wartete geduldig und fing an sich zu lagern; wir entließen unsern Wagen, benutzten eine Barke, aus welcher die Passagiere der Post überfuhren, und fanden drüben unter den Kutschen, die zurückkehren mußten, eine, die uns aufnahm. Der Kerl, der die Ueberfahrt leitete, sich für einen königlichen Beamten ausgab und auf das Gesetz berief, hatte uns in die Barke nicht aufnehmen wollen. Die Einheimischen aber erklärten ihm, er verstände gar nichts vom Gesetze, wir zogen unser Geld hervor, und Beides steckte er gleich ruhig ein.
So kamen wir wohlbehalten nach Catania zurück. März 1869.
M. ».
Wie große Woche des Reichstages.
Da den Abgeordneten des Reichstags nicht erspart wird, den größten Theil der Zeit mit kritischer Emendation von unfertigen Gesetzesparagraphen zu verbringen, so gilt ihnen und der Nation als Festtagsverhandlung, wenn sie einmal die großen politischen Fragen ihres Staates zu erörtern veranlaßt sind. Solche gute Tage waren die Debatten über bessere Organisation der Bundesregierung und über Ausdehnung der Bundescompetenz auf das Civilrecht der Deutschen. Beide Anträge hängen innig zusammen und suchen im Grunde dasselbe Ziel. An beiden Tagen entsprachen die Verhandlungen im Ganzen der Bedeutung des Gegenstandes, sie hatten wenigstens eine der Wirkungen, welche von den Antragstellern beabsichtigt waren, sie lenkten in eindringlicher Weise die Aufmerksamkeit der Regierenden auf höchst berechtigte Forderungen der Nation.
Das stärkste Interesse, auch ein dramatisches, erregten die Verhandlungen über den Twesten-Münster'schen Antrag «uf Einsetzung von Bundesministerien. Während Twesten die Nothwendigkeit verantwortlicher Bundesminister als Consequenz dessen, was bereits im Bunde gethan sei, darstellte und Graf Münster sehr wohl- meinend, aber nicht zeitgemäß, als wünschenswerthe Folge ein Kaiserthum der Hohenzollcrn am Horizont aufsteigen ließ, betonte der sächsische Bevollmächtigte, Herr v. Friesen, mit allem in seiner Stellung nöthigen Tact die bundesgemäßen Rechte und die Selbständigkeit der Einzelregierungen. Det Bundeskanzler über, im Anfange geneigt, den Antrag als ein Mißtrauensvotum zu betrachten, welches seiner