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gewiesen; unser Ideal der Frau habe sich gleich fern gehalten von dem Bilde der Herrin wie von dem der Dienerin; insoweit haben wir uns die Ehe als eine Lebensgemeinschaft vorgestellt, daß wir für diese auch wirthschafclich hoch bedeutsame Vereinigung den Grundsatz der Covperation festgestellt, aber es für das Erstrebenswerthe gehalten hätten, daß der Mann vorzugsweise dem Erwerb, die Frau der Erhaltung des Erworbenen und der Verwerthung desselben in der Hauswirthschaft ihre Kräfte widme. Aber wir seien fern gewesen von dem Wahne, daß die hausw irthschaftlichen die wichtigsten oder auch nur die vornehmsten Lebensfunctionen der Frau sein müßten. Und andererseits sei es uns auch nicht als ein besonderes Unglück erschienen, wenn die Frau, insoweit es ihre Natur und ihre specifischen Aufgaben gestattet, sich an der Erwerbsarbeit des Mannes betheiligt habe.
Jene innige Lebensgemeinschaft, als welche wir uns die Ehe vorgestellt, sei uns allerdings in so schönem Lichte erschienen, daß wir in dem Wunsche, „es möge ihr eine glückliche Ehe beschieden sein", alle unsere Wünsche für eine von uns geachtete Frau zusammengefaßt hätten, aber wir seien nicht befangen gewesen in dem Vorurtheile, daß es für die Frau außer der Ehe kein Lebensglück und keine Lebensaufgabe gebe. Im Gegentheil hätten wir uns nicht nur mit dem oben erläuterten Naturgesetz, sondern auch mit der Thatsache abzufinden gewußt, daß äußere, zufällige Umstände, oft bisweilen auch sittliche Entschließungen, welche von bewundernswerther Entsagung Zeugniß geben, für die Ehelosigkeit entscheiden.
Es sei unserer Zeit zum Bewußtsein gekommen, daß, wie die verhei- rathete Frau dem Schutze des Mannes anvertraut, so es die Pflicht der bürgerlichen Gesellschaft sei, der unverheiratheten Frau die Wege zu einer sorgenfreien und ehrenhaften Existenz zu ebnen; es habe uns das Bewußtsein der Pflicht'erfüllt, nicht nur alle künstlichen, insbesondere gesetzlichen oder in der Gewohnheit und dem Vorurtheile wurzelnden Schranken, welche dem Weibe auf solchem Wege begegnen, hinwegzuräumen, sondern auch durch die Reform der weiblichen Erziehung die Betretung des geebneten Weges ersprießlich zu machen. Wie uns der Mann, der nicht arbeite, als verächtlich erschienen sei. — denn unser Zeitalter habe in der Arbeit eine sittigende Macht erkannt — so habe uns auch die Erziehung der Frau zur Arbeit für eine wichtige Zeit- avfgabe gegolten, und minder scrupulös, als frühere Geschlechter, seien wir gewesen in der Abgrenzung des weiblichen Arbeitsgebiets; keine ehrliche Arbeit schände das Weib, und jede, deren es fähig sei, zieme ihm — so sei unsere Meinung gewesen.
Großherzige und geistvolle Männer unseres Zeitalters seien so weit gegangen, für unsere Frauen das Recht der unmittelbaren Theilnahme an der Gesetzgebung und Verwaltung in unseren politischen Gemeinwesen zu vindi-