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Herzog und Volk immer mehr auseinander. Der Geheimerath freilich war über den Vertrag der Meinung, er sei den Reichsgesetzen nicht zuwider, für das Ansehen des Fürsten und eventuell für Zuwachs an Land könne er ersprießlich sein, außerdem komme eine eonfiderable Summe Geldes dadurch in das Land. Bei einem Krieg stelle sich die Nützlichkeit noch um so mehr heraus, als man doch nicht isolirt sei und von vornherein wisse, an wessen Freundschaft man sich zu halten habe. Doch wurde in einer Zuschrift an den Herzog auch nicht verschwiegen, daß das Zusammengehen mit Frankreich von Vielen übel angesehen sei. Die Mannschaft selbst, von welcher zwei Drittel gewaltsam ausgehoben waren, zeigte den schlimmsten Geist. Als sie zu Stuttgart dem französischen Commissär zur Uebernahme vorgestellt werden sollte, brach offene Meuterei aus. Die Leute liefen auseinander und durchzogen truppweise die Straßen der Stadt und die Umgegend unter Unfug aller Art. Es war von vielen Seiten her an ihnen geschürt worden. Gegen alles Recht, hieß es, seien sie ihren Familien entrissen worden, und man habe ihnen zugemuthet, gegen den Beschützer ihres Glaubens zu kämpfen. Im Lande selbst waren Flugblätter der „Patrioten Württembergs" verbreitet, welche die Erinnerung an die katholisirenden Projecte Karl Alexanders wieder heraufbeschworen und in bitterster Weise Klage führten über die „gegenwärtigen betrübten Umstände, darinnen sich das liebe Vaterland befindet, da der Landes- und Gewissensfreiheit, der theuern evangelischen Religion, das Messer schon an die Kehle gesetzt ist", über die „Wienerischen Kunstgriffe, die Puls- und Triebfeder an dem Werke sind", über die „Gefahr und den nahen Umsturz unserer Verfassungen, Gesetze, Verträge, Religion, Freiheiten und Gerechtsame".
Diese Klagen, die zunächst an die Landschaft gerichtet waren, verhallten
freilich ohne Erfolg, wie auch jene Meutereien mit blutiger Strenge unter-
drückt wurden und nicht verhinderten, daß württembergische Truppen im Solde
Frankreichs .gegen den Staat Friedrichs des Großen auf böhmischen und
schleichen Schlachtfeldern, allerdings rühm- und erfolglos, kämpften. Noch
in demselben Jahr nahmen die Württemberger Theil an der Belagerung von
Schweidnitz und im December an der Schlacht bei Leuthen, welche dem Kriege
wieder eine für Friedrich günstige Wendung gab. Es ist von Interesse, den
Bericht zu lesen, den der württembergische Generalfeldmarschalllieutenant von
Spiznas an den Herzog über diese verlorene Schlacht erstattete. Herr v. Spiz-
nas schreibt u. A.: „Ew. hochfstl. Durchl. muß hierdurch in dem allerblutig-
sten Chagrin berichten, daß abgewichenen Dienstag den 5. Dezbr. auf kais.
kön. Seite die Bataille verloren gegangen. Es mußte sich just ereignen, daß
des Königs von Preußen Majestät auf Ew. hochfstl. durchl. Truppen, welche
auf der Seite postirt standen, die allererste und rigoureuseste Attaque mach-
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