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Priester in den Mund, bewegte die pergamentene Zunge hin und her und sagte bedeutsam: „Damit hat er gepredigt!"
Nun ging es in den Todtenconvent der Kapuziner, der Brüder unseres Führers. „Die ganze untere Reihe habe ich gekannt", sagte er, „mit ihnen gegessen, getrunken und gebetet." Es kann nicht lange dauern, so steht er auch dabei und hat den ewigen Frieden; denn über das, „wenn's hoch kommt" war er schon hinaus. Indem wir gingen, erklärte er uns, wie die Leichen beigesetzt und in denj Zustand gebracht werden, in welchem man sie dann dem Anblicke der Welt wieder preisgibt.
Der ganze seltsame Ort wirkt nicht so grauenvoll, als man es vorher fürchtet. Jene dunkle, im tiefsten Innern erschütternde Gewalt, welche der Anblick kürzlich Verstorbener auf uns zu haben pflegt— weil die Form und der Schein des Lebens mit der Wahrheit des Todes so unfaßbar contrastiren — üben diese Mumien und Scelette nicht; hier ist der Zustand für alle unsere Sinne und für die Phantasie vollständig entschieden, und nur Einzelnes wirkt durch besondere Umstände gemüthlich ergreifend. Aber die große Masse gleichartiger Zeugnisse allgemeiner Zerstörung verursacht einen mächtigen Druck andrer Art auf uns, dem wir im Augenblick nur mit einer gewissen Anstrengung unserer sittlichen Kraft zu begegnen vermögen. Ich zweifle aber, ob die Menge eine andere Lehre von dieser Massenausstellung des Todes mit hinwegnimmt, als die: „Esset und trinket, denn morgen seid ihr todt!" Kommt es nur darauf an, von gedankenlosen Menschen gewisse geistliche Dienstleistungen einzuziehen, die schließlich der Herrschaft der Kirche nützen, so ist dies Mittel so gut und besser gewählt als der ganze Knochen- und Scelettdienst zahlloser unheimlicher Altäre, denen man in katholischen Kirchen begegnet; denn der Mensch wird um seiner ewigen Zukunft willen gern sein Essen und Trinken einmal mit einem Avemaria und Paternoster unterbrechen: aber soll das Leben wahrhaft veredelt und mit würdigem Inhalte erfüllt werden, dann muß die Kirche den Tod decenter behandeln, als sie thut.
Von dieser Auferstehung des Todes führte uns unser Weg zu einer Auferstehung des Lebens. Auf dem Platze vor dem Schlosse ist vor 8 Wochen der Mosaikfußboden eines großen römischen Hauses entdeckt worden; als während der Anwesenheit des Kronprinzen von Italien ein Feuerwerk abgebrannt werden sollte, stieß ein Arbeiter mit den Pfählen darauf, die er einrammte. Dann hat sich ein Principe der Sache angenommen und nun wird der ganze Grund des Hauses bloßgelegt. Bis jetzt sind außer einigen gemusterten Fußböden ein singender Orpheus mit den Thieren, ein Faun mit einer Nymphe, ein mächtiger Apollokopf und ein Neptunkopf zu Tage gekommen. Alles ist in vortrefflicher Arbeit und in reicher Farbenscala ausgeführt; die beiden Köpfe, in ungewöhnlicher Größe gezeichnet, stehen denen