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auf den wir in Süddcutschland gestellt sind. Den Parteigenossen wäre es ein bequemer aber demoralisirender Rath. Ein Freibrief für die Enthaltung von jeder ernsten Thätigkeit, würde er nicht einmal seinen Zweck erreichen. Denn die Partei würde sich gar nicht von ihren Leitern zu dieser Abdankung bestimmen lassen; man würde also genau denselben Fehler begehen wie die Volkspartei, als sie anfänglich die Enthaltung von den Parlamentswahlen beschloß, um nachher von ihren eigenen Anhängern dementirt zu werden. Es ist denn auch auf einer Parteiversammlung in Stuttgart einstimmig beschlossen worden, auf Grund des Parteiprogramms abermals den Kampf aufzunehmen.
Von einem Bündniß mit der Regierung kann dabei so wenig die Rede sein als von Bündnissen nach der anderen Seite. Es ist ein Wort im Umlauf, das der Frhr. von Varnbüler während des Zollparlaments nach Stuttgart geschrieben haben soll. Es sei schlechterdings unmöglich — so ist der Sinn — daß das Verhältniß Würtembergs zu Preußen sich noch länger auf demselben Fuß erhalte; entweder müsse unser Land weitere Schritte einer Annäherung thun oder gänzlich mit Preußen brechen. Hätte dies Herr v. Varnbüler wirklich geschrieben, so wäre es bezeichnend für die Unbefangenheit, mit welcher ein würtembergischer Minister auch heute noch mit den verschiedensten Eventualitäten zu spielen im Stande ist. Nur scheint bisher der Muth gefehlt zu haben, wirklich eine dieser beiden Partien zu ergreifen. Nach allen Anzeichen zu schließen, herrscht durchaus noch das alte Schaukelspiel. Man war genöthigt, sich den Armen der Democratie zu entziehen, aber man hat deswegen nicht im geringsten der nationalen Seite sich genähert. Die kleine osficiöse Presse macht zwar Miene, für die Verträge, für die Heeresverfassung, gegen den Südbund einzutreten, aber gleichzeitig fährt sie fort, die Persönlichkeiten der Nationalliberalen in derselben cyntschen Weise herabzuziehen, die nun einmal bei uns herkömmlich geworden ist, vollends seitdem der Sturm von 1866 eine Anzahl der seltsamsten Individuen nach dem Nesenbach zusammengefegt hat. Ein Bündniß nach dieser Seite ist also der deutschen Partei erspart, sie steht auf ihren eigenen Füßen.
Gleichwohl ist ihre Stellung der Regierungspartei gegenüber nicht ganz dieselbe scharfbegrenzte, wie nach Seite der Volkspartei. Wir besitzen zwar nicht eine unabhängige Mittelpartei, wie sie in Baiern besteht, dagegen stuft sich der Standpunkt der deutschen Partei in einer Reihe von unmerklich in einander übergehenden Schattirungen ganz allmählich bis zu dem der Regierung ab. Gemäßigte aber aufrichtige Anhänger der nationalen Richtung finden sich zahlreich bis in die obersten Beamtenkreise hinauf. Die Regierung selbst wird genöthigt sein, neben entschiedenen Particularisten doch auch solche Candidaten aufzustellen, deren nationale Gesinnung die Unterstützung von