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Vor den neuen schwäbischen Landtagswahlen.
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Vor den neuen schwäbischen Lanotagswahlen.

Mitte Juni.

Das allgemeine Stimmrecht hat sich in Schwaben nach kurzer Frist zum zweitenmal zu bewähren: die Wahlen zum Landtag sind auf den 8. Juli ausgeschrieben. Bekanntlich ist die Einführung des neuen Wahlrechts die einzige Verfassungsänderung, welche nach großen Anläufen auf dem letzten Landtag schließlich noch durchgesetzt werden konnte. Um wenigstens etwas zu erreichen, einigte man sich rasch zu einer Reform, die Allen nur eine Frage der Zeit zu sein schien, die der deutschen Partei willkommen war als ein Fortschritt, den man der norddeutschen Bundesverfassung ver­dankte, der Regierung und der Demokratie, weil sie den Kreis derjenigen Wähler erweitert, welche für Beeinflussungen und für Schlagwörter besondere Empfänglichkeit versprechen.

Auch bei der kommenden Wahl wird die nationale Frage im Mittel­punkt des Kampfes stehen und es versteht sich von selbst, daß die Stimmung des Volks im Großen und Ganzen dieselbe ist wie vor drei Monaten. Auch am 8. Juli wird die nationale Partei entschieden in der Minderheit bleiben. Allerdings haben eine Reihe von traulichen Parteiversammlungen, die in den letzten Wochen an verschiedenen Orten des Landes gehalten wurden, gezeigt, daß die Partei durch den Ausgang der Märzwahl keineswegs entmuthigt ist, gerade seit jener Zeit haben sich neue Vereine gebildet, haben die be­stehenden an Mitgliederzahl gewonnen, die Organisation hat sich befestigt. Allein das beschränkt sich doch auf gewisse Schichten namentlich der städti­schen Bevölkerungen. Die Session des Zollparlaments stand der Erbitterung des Wahlkampfs allzunahe, als daß die überdies wechselnden Eindrücke des­selben schwer ins Gewicht fallen konnten. Zudem ist auf die hochgehende Bewegung eine begreifliche Abspannung gefolgt, und es wird bedeutender Anstrengungen der Parteien bedürfen, um das Volk wieder in dieselbe leben­dige Bewegung zu setzen.

Die Mehrheit wird also wiederum der antinationalen Coalition gehören. Allein diese Coalition extstirt nicht mehr, der Augenblick des Siegs war für sie auch der Augenblick der Auflösung. Unter dem Rechenschaftsbericht der 'süddeutschen Fraction haben zwar Demokraten, Junker und Ultramontane friedlich ihre Namen vereinigt, aber es fehlten bezeichnenderweise die beiden würtembergischen Minister, welche Mitglieder der süddeutschen Fraction waren. Die Demokratie wird auch im bevorstehenden Wahlkampf mit Ultramon­tanen und Ultrareactionären zusammengehen, aber sie wird diesmal auf die Mitwirkung der Regierung verzichten müssen, die, wenn nicht schon früher