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Jahn, Otto : Die griechischen bemalten Vasen.
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Die griechischen bemalten Vasen.

Ueber den hohen Werth der antiken Literatur und Kunst nicht nur für die gelehrte, sondern auch für die allgemeine Bildung ist heutzutage nur eine Stimme; nicht minder einig scheint die öffentliche Meinung auch in der Ungunst zu sein, mit welcher die Fachgelehrten angesehen wurden, deren Ver­mittelung man doch, wie es scheint, den Besitz und Genuß dieser so hoch ge­schätzten klassischen Bildung zu danken hat. Daß die Philologen vorzugsweise zu denen gehören, welcheStaub fressen, und mit Lust", ^ute die im Stande sind, über den Tüttel überm I, über Interpunktion und Wortstel­lung ernsthaft zu streiten, pflegt auch von solchen mit Ueberlegenhert geltend gemacht zu werden, die bei einem Contract über Mein und Dein die Künste haar­spaltender Interpretation zu schätzen wissen. Und die Archäologen, Kunst­lern und Kunstliebhabern gleich unbequem, wenn sie auf so einfache und prä­cise Fragen, wann und von wem ein Kunstwerk verfertigt sei? was es darstelle und wie es zu benennen sei? nicht gleich präcise Antworten w der Hand haben, gelten auch gemeiniglich für solche,die den Wein keltern aber nicht trinken.- Als einleuchtender Beweis, welchem häßlichen Knmskrams sie ihre Neigung zuwenden, werden mit Vorliebe die bemalten Vasen - glücklicherweise kennt man in diesen Kreisen keine etruskischen Spiegel - angeführt, die man hartnäckig etruskische nennt, nach em er dunkeln -Irem - "iseenz, daß alles, was etruskisch heißt, alt, wunderlich und haßkch ist. Kö­nig Christian VIII verdarb manchem Gast nachträglich den Genuß semer ausgesuchten Diners, wenn er nach aufgehobener Tafel, wie er als Kron­prinz gern that, seine Vasensammlung zeigte und Überdieselbe als unternchteter Kunstfreund sprach. Dagegen drückten wohl Künstler ihre lobende Aner^ "ung aus. wenn ein angehender Archäolog sich fähig zeigte, m Vasenbüdern v°r anderen mehr in die' Augen fallenden Kunstwerken den Charakter der griechischen Kunst zu erkennen. Im allgemeinen aber behauptet das Mvu- kum den bemalten Vasen gegenüber, - nachdem sie eine Zeitlang ein Haupt­symptom deshitzigen Fiebers der Gräcomanie" gewesen waren - den Standpunkt jenes wohlgekleideten, also gebildeten Berliners, der durch Zu- Grenzboten II. 18K8.