479
Leistungen auf den höchsten Gebieten menschlicher Erkenntniß reifte, er hat in dem, was der eigentliche Stolz und Ehrgeiz seines Schaffens war. volle Anerkennung nicht erlebt. Vielleicht weil Antheil und Jnteressenrichtung der Mitwelt sich je allgemeiner von den Problemen philosophischen Erkenntnißstrebens abwandten, je höher er in denselben emporstieg; vielleicht auch, weil die heilige Gewissenhaftigkeit seines Fortschreitens ihn unablässig Vermittelung zu finden drängte, die^häufig für das genommen wurde, was sie am wenigsten war. sür Halbheit; genug, die Empfindung des Abstandes zwischen seinem Wirken und der Wirkung innerhalb der Wissenschaft wuchs mit den Jahren, und wie ihn überhaupt nie, auch nicht :m höheren Alter, edle Leidenschaftlichkeit verließ, so hat er die Befriedigung, die er nach dieser Richtung ersehnte, im Tode nicht hinweggenommen; mußte er doch sogar erfahren, daß Einzelnes, was er ohne seinen Namen hinausgehen ließ, eine Aufnahme fand, die seinen großen Schriften fast nie zu Theil wurde.
So muß es jedem, der sich seiner Nähe erfreut hat. ein herzliches Anliegen sein. Zeugniß abzulegen von- der reinen Hoheit des Strebens und Wollens. die sich m so viel umfassenderer Weise in dem kundgab, was er lebte, in seinem unermüdlichen Eifer als akademischer Lehrer, in dem keuschen Adel der Lebenspraxis, m der unvergleichlichen Wärme und Liebenswürdigkeit des Umgangs. Sein Landsitz bei Leipzig, den er unberührt von den Unbilden der Jahreszeit Winter wie Sommer bewohnte, glich einer Oase der Stillen im Lande: ältere Collegen und Freunde und eine immer wechselnde Schaar von Jünglingen, die bei ihren Studien seinen stets bereiten freundlich eingehenden Rath suchten, schlössen um den verehrten Mann einen Kreis, der einen weihevollen Nachklang jenes innigen Geisteöverkehrs der vergangenen Tage bot. in denen seine Anschauungen sich vorzugsweise geformt hatten, ^n der Kunst, die Jugend zu verstehen, ihre Begeisterung nicht nur zu wecken, sondern , aufs neue wieder mit durchzuleben. drückt sich im Menschen und im Gelehrten der Adel des Charakters am schönsten aus. und hierin war er Meister. Die auch dem Gegner ehrwürdige deutsche Humanität, die dem Hause des „Kinderfreundes" Tradition war. hat der Enkel zur Höhe des sittlich-religiösen Pathos erhoben. Hier lag auch der Schwerpunkt dieser Persönlichkeit. Die fast überreiche Product.vitat seiner Lehrvorträge und mehr noch seines Gespräches, die Wahrhaftigkeit und der Eifer, der ihn niemals zurückhielt, die letzte Tiefe seiner Anschauungen und Erkenntnisse zu erschließen, gaben allen, die ihm nahe standen, überdauernde Impulse, und wenn auch nur sehr wenige sein werden, die sich im eigentlichen Sinne seine Schüler nennen, so ist die Zahl derer um so größer, die in den verschiedensten wissenschaftlichen Berufskreisen durch ihn entscheidende Richtung erhielten.
Daher möchten wir es uns auch am liebsten erklären, daß in den Wissenschaften, die er besonders pflegte, so manche neue Erkenntniß Weiße's wirkt und arbei- beitet ohne mit seinem Namen verknüpft zu werden. „Es ist zwar eine allgemeine Wahrheit, aber in der neueren deutschen Literatur vorzüglich sichtbar, daß die Post- tiven Wissenschaften philosophischen und genialen Denkern, die nicht eigentlich, auf Entdeckungen in ihnen ausgehen, oft weit mehr verdanken, als denen, die sie ex prokWso bearbeiten." Dieses Wort, mit dem Weiße vor allen auf Lessing deutete, darf in hohem Grade von ihm selber gelten. Liegt, historisch betrachtet, dann eine Entschädigung für die Resignation, die ihm im Leben auferlegt war, so ist es