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deutschen sich den Eintritt begehren, aber wir wissen sehr gut, was uns diese Zeit des Harrens kostet.
Am ärgsten lastet auf uns die unklare Stellung zu Frankreich. Wir ersehnen uns jetzt innig eine Zeit des Friedens, wir brauchen ihn dringend für den neuen Staat und für unsern Wohlstand, welcher durch die Ereignisse der letzten Jahre stark erschüttert worden; aber wir dürfen in unserm Frie- densbedürfniß nicht dem Vogel Strauß nachahmend das Haupt im Busch bergen, um unsere Gegner nicht zu sehen. Am wenigsten darf das die Presse thun. Als in d. Bl. kurz nach jener drohenden Anfrage Napoleons in England darauf hingewiesen wurde, daß die französischen Rüstungen einen weit andern als defensiven Charakter haben, da rief das tiefe Friedensbedürfniß hier und da Widerspruch und Zweifel hervor. Die damals hervorgehobenen Einzelheiten waren zwar unvollständig, aber durchaus zuverlässig. Seit dem Zollparlament ist die scharfe Spitze der Rüstungen vielleicht ein wenig von Deutschland abgebogen, die Hast scheint vermindert, man hat von den 90,000 Pferden, welche der Ernährung des Kriegsministeriums oblagen, wieder einige Tausend bei Landwirthen zu Gebrauch und Verpflegung eingestellt, und man mag im französischen Kriegsministerium die Sicherheit einer Sommercampagne verloren haben; aber die Rüstungen selbst sind noch keineswegs auf die Friedensdimensionen zurückgeführt, und es ist nicht der renommirende Thatendrang einiger Brigadiers, sondern die entflammte Kriegslust einer großen rühm- und beutelustigen Armee, mit welcher der Kaiser zu rechnen hat.
Wollen wir Deutsche dazu thun, uns den Frieden zu bewahren, so dürfen wir uns nicht einer vertrauensvollen Sicherheit hingeben. Nichts liegt mehr im Interesse des Kaisers Napoleon, als die öffentliche Aufmerksamkeit von seinen stillen Spekulationen abzulenken. Denn sollte er durch Unzufriedenheit und eine innere Bewegung in Frankreich, die wir nicht nach der Physiognomie von Paris beurtheilen dürfen, in schwere Versuchung versetzt werden und einer Ableitung nach Außen bedürfen, so würde er, wie wir aus der Methode seiner Rüstungen in diesem Frühjahr mit Sicherheit schließen dürfen, alle seine großen Mittel anwenden, um den Erfolg auf demselben Wege zu suchen, auf welchem Preußen seine Siege im Jahre 1866 erreicht hat, und dieser Weg wäre, eher fertig zu sein als wir und zu überraschen. Dagegen gibt es kaum ein besseres Mittel, als aufmerksam die Augen auf die vorbereitenden Schritte seiner Politik zu richten.
Unterdeß hoffen wir von ganzem Herzen auf einen Bundesgenossen, welcher durch Sonnenschein und befruchtenden Regen uns vom^ Himmel gespendet wird, auf eine gute Ernte, die dem Landmann die Scheuern füllt, in der Werkstatt des Bürgers die emsige Arbeit fördert und den Völkern die goldene Zeit des Friedens unentbehrlich macht.
Aus Briefen von Platen.
Platen war bei seinem Aufenthalt in Rom im Umgang mit Gelehrten und Künstlern auch mit Ed. Gerhard bekannt geworden, und der Verkehr war in Neapel und Sorrent aufgefrischt und intimer geworden. Natürlich bezog sich derselbe wesentlich auf Poesie. Gerhard, der damals gern und eifrig poetisirte, theilte, wie ein jüngerer philologischer Freund, der talentvolle,