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Der- Einsall Herrn Langle's ist aber auch „lächerlich". In der That können Leute, welche einige Begriffe von der Lage der Dinge in der Türkei haben, sich des Lachens nicht erwehren, wenn sie die orientalische Frage durch Mittel lösen sehen, die ebenso leicht auf das Papier zu werfen als unverträglich mit der Wirklichkeit sind. Herr Langle spricht über eine Frage, deren erste Elemente er nicht kennt, im Tone eines Meisters, nicht anders, als wenn wir uns mit den Angelegenheiten China's beschäftigen und dem Beherrscher des himmlischen Reiches rathen wollten, das und das zu thun oder zu lassen, ohne — wir gestehen es aufrichtig — von den Dingen in seinem Lande etwas ordentliches zu wissen. Herr Langle zimmert mit der Spitze seiner Feder einen Staatenbund zusammen, wie vor Alters Kadmus aus Drachenzähnen gewappnete Männer hervorzauberte. Aber das ist nicht alles. Herr Langle irrt noch schwerer in andern Punkten. Er sagt: das türkische Reich stützen und erhalten sei für christliche Mächte ebenso viel, als Wasser und Feuer mit einander versöhnen wollen. Dies ist das reine Gegentheil der Wahrheit. Ohne Zweifel leiden die Christen jetzt unter der osmanischen Herrschaft, aber die Osmanen selbst leiden nicht weniger als sie. und in gewisser Hinsicht noch mehr. Die Christen haben. Dank dem aus« ländischen Schutze, sehr einflußreiche Patriarchate; sie haben von den betreffenden Gemeindekörpern gewählte, ihre Rechte bei der Regierung vertretende Rathskammern. Droht ihnen von Seiten der Machthaber irgend ein Unrecht, so nehmen sie ihre Zuflucht zu ihrem Patriarchen; bleibt dieser für ihre Klagen und Bitten taub, so übernimmt die nationale Rathskammer ihre Vertheidigung, und kann auch diese nicht Gerechtigkeit erlangen, so legen die fremden Gesandtschaften ihr Veto ein. Die Türken haben keins von allen diesen Schutzmitteln; von Natur stolz und verschlossen, ertragen sie schweigend die Uebelstände einer heillosen Verwaltung, doch nicht ohne im Stillen zu seufzen und .das Loos ihrer christlichen Mitbürger zu beneiden. Die Christen in der Türkei haben ihre besondere nationale Selbstverwaltung, ihre eigenen Schulen, die freie, ungehinderte Ausübung ihres Cultus, in ihren Händen liegt beinahe der ganze Handel und Gewerbbetrieb des Landes; gegen eine unbedeutende Abgabe sind sie vom Kriegsdienste befreit; vor Gericht stehen sie den Türken nicht gleich, nein! sie genießen noch besondere Vorrechte. Wie könnten sie, im gesicherten Besitze aller dieser Vortheile, auf den Gedanken kommen, sich dem Cabinete von St. Petersburg in die Arme werfen zu wollen? Unsere Christen wünschen nichts anders als: eine gute Staatsverwaltung zu erhalten und mit ihren moslemischen Mitbürgern in Frieden weiter zu leben; umgekehrt, ist dies letztere auch der Wunsch aller Moslemen. Hält Herr L. seine Glaubensgenossen in der Türkei etwa für so unwissend und thöricht, daß sie wünschen sollten, eine