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den bairischen und würtembergischem Minister haben etwa die Erstickung des Adreßbeschlusses mit praktischen Zugeständnissen anderer Art an Preußens nationale Politik erkauft. In diesem Fall würde man den Entschluß des Grafen Bismarck nicht edel und stark nennen, und seine Worte nicht wahrhaft, aber es wäre Logik in solchem bequemen Zorn. Sollte aber umgekehrt wirklich nur der Groll diesen unerwarteten Entschluß eingegeben haben, so müßten wir Deutsche uns gewöhnen, vom Grafen Bismarck'minder hoch zu denken. Nicht allein, daß er sich dann gestattet hätte, eine wichtige nationalpolitische Frage unter Einfluß einer leidenschaftlichen Wallung gegen Personen zu bringen: er hätte dann ja auch ohne jedes andere Aequivalent als eine augenblickliche und vorübergehende persönliche Befriedigung geduldet, daß die geschworenen Gegner seiner Politik, süddeutsche und preußische Opposition gemeinschaftlich, durch einen wichtigen Präcedenzfall den Werth des Zvllparlaments als eines politischen Werkzeuges merklich entkräfteten. Das aber wäre ein Fehler, auch von dem bloßen eingeschränkten Standpunkt des preußischen Ministers. Man braucht nichts anderes ins Auge zu fassen als die militärische Sicherheit Preußens künstigen Bedrohungen gegenüber vom Westen oder Süden her, um es unverantwortlich zu finden, wenn der leitende Rath der Krone ohne Noth auf die freieste Benutzung des Zollparlaments als eines politischen Hebels verzichtet hätte. So wie die Dinge nun verlaufen sind, hat die Wahrung dieses Interesses in eine gelegentliche Bemerkung des für einfache Tagesordnung sprechenden conservativen Führers, Herrn v. Blankenburg — dem überdies nur das Lsos zum Worte verhalf — und in eine nachträgliche officiöse Ausführung der Provinzialcorresvondenz verlegt werden müssen. Zu einer Bekräftigung durch förmlichen Parlamentsbeschluß verhält sich dies wie ein vages mündliches Zahlungsversprechen zu einem in aller Form ausgestellten Wechsel.
Wenn das Schicksal des Metz-Bluntschli'schen Adreßantrages durch plötzlichen Widerstand des Grafen Bismarck bestimmt wurde, läßt sich natürlich nicht von einem schlecht berechneten Wurfe der nationalliberalen Partei sprechen. Die politische, m'än könnte selbst sagen die sittliche Nothwendigkeit ihres Vorgehens geht sogar aus der niederschlagenden Wirkung hervor, welche der Ausgang auf die entschieden nationalgesinnten und preußenfreundlichen Abgeordneten aus dem Süden, auf Hessen, Badener und Rheinbaiern geübt hat. Diese Männer sind sich bewußt, nicht allein die wahrhaft patriotischen Elemente Süddeutschlands und die nationale Sache überhaupt, die Sache der Zukunft zu vertreten, sondern eine volle Hälfte dessen, was man heute so oft bald geflissentlich entstellend, bald dummgläubig unter dem Namen des „süddeutschen Volkes" zusammenfaßt. Hätte die kurze und beschränkte Adreßdebatte, zu welcher es am 7. Mai kam, nichts geleistet, als daß sie Bluntschli Gelegenheit gab, den künstlichen und falschen Begriff „süddeutsches Volk" allen Anwesenden zu Gehör in seine Bestandtheile aufzulösen, sie wäre nicht umsonst gewesen. Eindringende Betrachtung zeigt aber nicht allein, daß Süddeutschland in vier Staaten von höchst verschiedener äußerer und innerer Lage zerfällt, sondern daß bei den Zollparlamentswahlen höchstens eine Hälfte aller süddeutschen Wähler sich unbedingt gegen weitergehende Einigung mit dem Norden hat aussprechen wollen. In Südhesfen ist die Regierung zwar dagegen, die Bevölkerung aber in so überwältigender Mehrheit dafür, daß Hr. v. Dalwigk überhaupt nur in einem einzigen der sechs Wahlkreise einen Kandidaten seiner Farbe hat aufstellen können, und dieser Eine ist durchgefallen. In Baden ist sowohl die Regierung als die Mehrheit des Volks für den
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