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Culturaufgabe des preußischen Staates so groß gemacht, daß er jetzt in der Lage ist, Deutschland zu werden.
Dieser ideale Protestantismus Preußens hat immer noch den alten Feind, der unversöhnbar ist, weil auch er durch eine mächtige Idee getragen wird, und dieser Feind ist die herrschende Partei der römischen Kirche. Die Prätensionen der geistigen Bevormundung, welche die Kirche ausrecht erhalten muß, wenn sie bestehen soll, sind völlig unverträglich mit unserem preußischen Leben, sie arbeiten feindselig jeden Tag gegen Bestehen und Wachsthum unseres Staates, sie sind nicht durch Nachgiebigkeit zu versöhnen, nicht durch Gerechtigkeit zu entwaffnen. Jenes Dogma, nach welchem jeder Protestant Rebell gegen Gott und der Seligkeit im jenseits verlustig ist, zwingt mit eiserner Nothwendigkeit, das "Bestehen protestantischer Bildung, ja die gesammte Cultur, durch welche Preußen aufgeblüht ist, für ein unermeßliches Unglück, für einen Abfall vom Heiligsten und ein Werk des Teufels zu halten. 'Nicht die Millionen unserer katholischen Mitbrüder ziehen diese Consequenzen ihres kirchlichen Dogmas, auch in vielen einzelnen ihrer geistlichen Führer temperirt sich diese mittelalterliche Lehre milder und humaner, aber dasselbe Dogma gilt, wirkt und herrscht noch heut in der Kirche, es vermag jeden Gläubigen in entscheidender Stunde über seine Pflicht gegen den Staat zu beirren und es arbeitet scharf, unverhüllt, mit dem Gefühl der Todfeindschaft gegen unser Ketzerthum in jeden kriegerischen Talent der Clerisei.^
Es ist in Wahrheit ein unablässiger und heftiger Krieg, in welchem Preußen mit der Idee der römischen Kirche steht, und es ist nicht schicklich und nicht klug, Gesandte einer Macht, mit welcher man im Kampf auf Tod und Leben steht, an seinem Hofe zu halten. Der päpstliche Stuhl hat mit der vornehmen Dreistigkeit, welche beschränktem Standpunkt und legitimistischer Prätension überall eigen ist, genau dasselbe längst erklärt, er selbst hat seit Jahrhunderten den nichtkatholischen Fürsten die Anerkennung ihrer politischen Berechtigung verweigert.- welche der Monarch dem Monarchen durch Absendung eines ständigen Gesandten ausdrückt, er selbst hat ganz richtig den Satz hervorgehoben, daß die römische Curie nicht nur eine "Macht ist, wie der türkische Kaiser, welche sich bescheidet, Staat und Kirche der eigenen Unterthanen zu regieren, sondern die höchste Macht der Christenheit, welcher nach vielen Richtungen auch die höchste Herrschast im politischen Staatsleben zustehe, und welche die höchste Autorität sei für Lehre, Familie, Zucht, Gewissen aller Christen; — obgleich die Bildung, Familienzucht und Gewissensruhe, welche die alte Kirche zu geben vermag, längst nicht mehr den Anforderungen und Bedürfnissen eines modernen Staates entsprechen.
Der ständige Gesandte und der Botschafter des Papstes ist aus diesem Grunde in dem Staate, welchem er bevollmächtigt wird, nicht der Gesandte einer fremden Großmacht, sondern er ist zugleich der delegirte Herrscher-über die katholischen Unterthanen dieses Staates. Er wird nicht nur Mittelpunkt für die Interessen der katholischen Kirche in Preußen, also eine Gegenregierung gegen das Ministerium des Cultus, sondern er wird zugleich Mittelpunkt aller römischen Forderungen und Intriguen, eine Stärkung aller Gegner, eine Macht, welche überall verleitet, anzieht und statt der treuen Hingabe an den Staat den Gehorsam gegen den römischen Stuhl verkündet.
Für diese wünschenswerthe Thätigkeit ist in Berlin, wie verlautet, der Erzbischos aus Posen Ledochowski ausersehen, ein aristokratischer Pole und ein Jesuit, der die Kunst seines Ordens.vortrefflich versteht, Geringes zu opfern, um Großes durchzusetzen. Die Wahl wäre bedeutsam für die nächste Zukunft Preußens.
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