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Aus Schwaben : die schwäbischen Wahlen.
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Ergebniß gereifter nationaler Gesinnung sein. Ohne Zweifel werden die preu­ßischen Staatsmänner in dem Ausfall der Wahlen im Süden nur einen Be- weis für die Richtigkeit ihrer Politik erblicken. Die Wahl war die Anfrage an den Süden, ob er für Beitritt zum deutschen Staatswesen reif sei, und er selbst hat die Frage verneint. Allein nicht in gleichem Maße haben die ein­zelnen süddeutschen Staaten Antheil an dieser Antwort, unh jetzt nach dem Ausfall der Wahl wird sich die Frage aufs neue erheben, ob auch in Zu­kunft der Süden als ein zusammengehöriges Ganzes betrachtet werden soll, mit anderen Worten, ob man den Hessen und Badenern noch länger zumu- then will, zu warten auf Baiern und Würtemberg.

Es ist nicht zu läugnen, daß die preußische Politik wenigstens den Schein erwecken konnte , als ob sie den Süden sich selbst überlasse und sich wenig kümmere, wie dort der Ausspruch der öffentlichen Meinung erfolge. Dieser bloße Schein ist nach Kräften ausgebeutet worden und unzweifelhaft nicht ohne Einfluß auf den Ausfall der Wahlen gewesen. Die feindlichen Par­teien sind immer dreister geworden, die Regierung hat immer ungescheuter ihre wahren Tendenzen hervorgekehrt. Dagegen ist es ein ziemlich müßiger Streit, ob Preußen durch eine liberalere Politik sich größere Sympathien im Süden erworben hätte. Eine liberale Politik, liegt einfach im Interesse der Consolidirung des Nordbunds, diese kommt früher oder später dem Ganzen zu gut. Aber die Anziehungskraft einer Politik, die blos im Innern liberal ist, ohne zugleich die nationalen Ziele schärfer zu accentuiren, wird man nicht überschätzen dürfen. Die Volkspartei, die bei uns das Monopol der freiheitlichen Bestrebungen zu haben vorgibt, scheut im antideutschen Interesse die reaktionärste Bundesgenossenschaft nicht, sie ist gegen Preußen, ob es fortschrittlich oder feudal regiert wird. Es könnten ihr höchstens einige Vorwände ihrer Agitation entzogen werden, und sie wäre nicht um neue verlegen. Gerade die Stellung unsrer Parteien im Wahlkampf hat gezeigt, daß es sich nicht im Geringsten um Freiheitsfragen gehandelt hat, sondern einzig um die nationale Frage. Bei manchen der Gewählten weiß man schlechterdings nicht, ob sie zu den Con- servativen oder zu den Liberaler!» zu zählen sind. Danach sragte kein Mensch. Man weiß nur, daß sie Partikularisten sind und als solche gewählt wurden. Dies war die Stimmung der großen Masse, und sie wird erst dann eine andere werden, wenn dieselbe wieder gelernt hat, an den nachdrücklichen Ernst der nationalen Politik Preußens zu glauben.

Grenzbotcn II. 18t>8.

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