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Aus Schwaben : die schwäbischen Wahlen.
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tung überhaupt besteht, dies war der Refrain der Reden derjenigen, die als Sieger aus den Wahlurnen hervorgegangen sind. Dabei warf es doch ein seltsames Licht auf die angebliche Vertragstreue, wenn Frhr. v. Neurath seinen Wählern erklärte, man müsse die Verträge so lange halten, als sie nicht auf völkerrechtlich zulässige Weise beseitigt seien, oder wenn Herr Oesterlen bei dem Siegesbanket in der Stuttgarter Liederhalle eine Rede hielt, worin er sich auf den Boden der Verträge stellte, und unmittelbar darauf, als ein anderer Redner mit einer donnernden Philippica wider die Verträge größeren Applaus erzielte, Hand in Hand mit diesem auf der Tribüne erschien, um durch diese theatralische Scene dem jauchzenden Volke zu erkennen zu geben, daß er auch damit vollständig einverstanden sei.

Daraus läßt sich nun freilich auf die politische Haltung der Gewählten im Parlament selbst noch kein sicherer Schluß ziehen. Es ist ihnen dort ein fester Boden gegeben, an dem sie mit Erfolg zu rütteln schwerlich hoffen können; sie haben Arbeiten vor sich, welche die Phrase nicht ertragen, und die im Fall ihrer absoluten Negation gleichwohl von statten gehen werden. Einige mögen ziemlich nahe der preußischen Fortschrittspartei stehen, welche denn doch den Genfer Friedensjargon ihres linken Flügels nicht auf die Länge ertragen zu wollen scheint. Mit den Phrasen, mit welchen hier auf die Wähler gewirkt worden ist, läßt sich ohnedies in Berlin wenig anfangen. Herr Ramm, der Verwalter des Hrn. v. Varnbüler, wird dort schwerlich seine berüchtigten Zahlen über die preußischen Steuern zum Besten geben, mit denen er bei seinen Landsleuten so unbestreitbaren Erfolg davongetragen hat. Herr v. Varnbüler selbst/ wie beherzt immer, wird schwerlich den Muth haben, in einer deutschen Versammlung zu wiederholen, daß Würtemberg sich dafür bedanke, an einer deutschen Flotte mitzuzahlen. Herr Oesterlen wird .schwerlich sein anmuthiges Gleichniß von der schwäbischen Kuh, die in Berlin gemolken wird, wiederholen, das von seinen in Gleichnißreden, wie es scheint, wenig bewanderten Zuhörern unglücklicherweise dahin mißverstanden worden ist, als ob nun in Zukunft jeden Morgen in der Früh der preußische Melker umgehe, und wenn Tochter oder Magd in den Stall kommen, diese zu ihrer Betrübniß die Kuh bereits gemolken finden. Selbst Moritz Mohl wird seine Aeußerung, daß ein Mann, der sich selbst respectire, nicht in diesem Parlament sitzen könne, schwerlich im Parlament selbst wiederholen, und das unbedachte Wort von der traurigen Figur, welche die Süddeutschen in diesem Parlament machen müssen, mag ihn wohl selbst nachträglich als allzu grausame Selbsteritik be« dünken. Vielleicht wird man sogar von der Vervreußung, vom Cäsarismus, dem Casernenstaat, den Bettelpreußen und andern geläufigen Artikeln einen verhältnißmäßig bescheidenen Gebrauch machen. Das waren alles Dinge, die sich auf Rtesenplakaten mit blutigen Lettern gedruckt sehr imvoni-