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Kunst nicht aus den Augen verloren, aus dem er die erste Zeit seiner acadcmischcn und literarischen Thätigkeit fast ausschließlich beschäftigt war. Die vorliegende dritte umgearbeitete Auflage gibt Zeugniß dafür.
Mit welchen Schwierigkeiten eine Übersetzung gerade des Aeschylos zu kämpfen hat, ist keinem Kundigen verborgen. Der Strenge und Herbigkeit seines Ausdrucks im Dialog und der überwuchernden Fülle seiner lyrischen Sprache in den Chören einigermaßen gerecht zu werden, ist eine Aufgabe, die zu den schwersten gehört, welche der deutschen Sprache und der Uebersetzungskunst gestellt werden können. Hierzu kommt noch di.e an unzähligen Stellen fast hoffnungslos verderbte Ueberlieferung, sodaß mit der poetischen Thätigkeit der Nachbildung und Uebertragung zugleich eindringende Kritik und scharfsinnige Interpretation verbunden sein und fortgesetzt zusammenwirken müssen. — Endlich aber wird, wer Aeschylos überträgt, zuvor sich mit einem Problem der Uebersetzungskunst auseinandersetzen müssen, das nicht ohne entscheidende Wichtigkeit gerade für diese Aufgabe ist. Es betrifft die Stileigenthümlichkciten des Dichters, vermöge deren er bereits dem ihm zeitlich nahestehenden Alterthum im Gegensatz zu Sophokles und Euripides als der alterthümliche Tragiker erscheint. Die Thatsache ist nicht zu leugnen, ihre Gründe eingehend auseinanderzusetzen ist hier nicht der Ort, und so mögen einige Andeutungen genügen.
Das Wort von Fr. Schlegel, „der Historiker sei ein rückwärts schauender Prophet", kann mit vollstem Rechte auch auf Dichter wie Aeschylos angewendet werden, zumal wenn sie, wie dieser, in einer Zeit leben, welche die geistige Arbeit des Historikers noch nicht selbständig ausgebildet und von den verwandten Thätigkeiten losgelöst zeigt- In der Vorstellung de-r Griechen, wie in der unsrigen und Wohl in der Literaturgeschichte aller kommenden Zeiten gilt diese Richtung nach der Vergangenheit, die Abwendung von der Bewegung des Tages als ein charakteristischer Zug für das Dichterportrait des Aeschylos. und es ist kein Zufall, daß wir schon bei Aristophanes jene Eigenthümlichkeit empfunden und hervorgehoben finden. Dieselbe Erscheinung zeigt sich auch in der Volksdichtung. So wenig man leugnen kann, daß die homerischen Gedichte einst das poetische Wollen und Empfinden einer bestimmten Zeit neu und lebendig darstellten, welche nur so und nicht anders zu empfinden und sich auszusprechen vermochte, so wenig darf vergessen werden, daß für die Blüthezeit 'des griechischen Volkes Homer schon von dem ganzen Zauber eines Sängers längst vergangener Zeiten umflossen war, daß dieser Zug seinem Bilde für alle Zeiten als ein unverlöschlicher aufgeprägt ist. — Sicher gab es eine Zeit, in der die Komödien des Plautus als das sprechendste Zeugniß für die poetischen und socialen Interesse» der Gegenwart gelten konnten, in der Ennius sogar als ein kühner Neuerer aus poetischem Gebiete angestaunt und angefeindet wurde, aber trotzdem werden beide Dichter für immer in unserer Vorstellung eine alterthümliche Färbung haben." S>e beruht ebensowohl auf ihrer Stellung zur später eintretenden Blütheperiode ihrer vaterländischen Literatur, als auf einem inneren Charakterzuge ihrer Production, die wohl einerseits sich weit über das Moderne, Momentane, Vorübergehende erhob, andererseits aber doch nicht jene völlige Uebereinstimmung zwischen Form und Inhalt zu erreichen vermochte, welche wir als classisch zu bezeichnen Pflegen und welcher w unverwelklicher Jugend und Schönheit ewiges Leben zu Theil wird. Während diese