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Als die Kronprinzessin' von Preußen in solchem Sinne zu Berlin die Gründung einer Lehranstalt für das Handwerk anregte, vermochte sie dem Mißtrauen und Kleinmuth, welche dergleichen socialen Forderungen zu widerstehen Pflegen, einen großen Erfolg in England als Beispiel vorzuhalten. Nach den Beobachtungen der ersten Industrieausstellung hatte Prinz Albert das Kensington-Museum eingerichtet, jetzt bereits eine großartige Sammlung von Mustern fast aus jedem Volk und Arbeitsgebiet, mit populären Lehrstunden und höchst praktischen Einrichtungen für Benutzung derselben durch das Volk. Der Segen dieser Einrichtung wurde in England schon nach wenig Jahren auf den meisten Gebieten der Industrie wohlthätig erkannt. Wir dürfen als sicher annehmen, daß bei uns eine gute Wirkung nicht weniger in die Augen fallen wird. Aber freilich ist dazu eine größere Ausdehnung des Instituts nothwendig, als jetzt dem Gewerbemuseum vergönnt ist, sowohl für die Sammlungen, als die Lehrstunden, und nicht weniger wichtig ist, daß die neue Anstalt auch ein Mittelpunkt werde für die Ausstellung neuer Arbeit. Gerade diese letzte Einrichtung hat in Süddeutschland, wo sie besteht, sich als besonders fruchtbringend erwiesen, sie hebt den Ehrgeiz des Arbeiters, gibt ihm das frohe Gefühl einer allgemeinen Anerkennung, die er sonst so sehr entbehrt, und sie macht, sobald Gewerbemuseen merkwürdige Ausstellungsstücke einander zusenden, auch die Tüchtigkeit der Nachbarn zu einem Sporn für die heimische Technik.
Wir wissen sehr wohl, solche Institute dienen der Kunstbildung einer Zeit zunächst dadurch, daß sie das Schöne, welches irgend einmal geschaffen wurde, popularisiren; durch sie wird also mehr die Mannigfaltigkeit der Formen, Muster, Stilgattungen gefördert, als ein besonderer nationaler Stil gelehrt, denn Antikes und Japanesisches, Mittelalter und Cinquecento stehen in Sammlung und Lehre dicht bei einander. Das aber ist einmal die nothwendige Vorbedingung für moderne Kunstentwickelung. Nicht dadurch vermag ein modernes Volk seiner Erfindung eigenthümliche Schönheit zu gewinnen, daß es die massenhafte Erfindung der Fremden von sich ausschließt, nur dadurch, daß es sie sämmtlich als Bildungselemente mit kräftigem Künstlersinn verarbeitet. Daß sich bei solcher Mannigfaltigkeit fremder Kunstformen nur langsam und schwer die Freiheit eines originalen Stils entwickelt, i^t selbstverständlich. Aber in einer Periode der eclectischen Aufnahme verschiedenartigster Gebilde wird sich zunächst der Sinn für das Charakteristische kräftigen. Darauf wird ein feines Verständniß für das Zweckmäßige folgen und es ist kein Zweifel, daß auch die modernen, Völker allmählich lernen werden, das höchst Zweckmäßige nach dem Zug ihres eignen Wesens zu formen und etwas von ihrem eignen Gemüth hineinzulegen. Und das wird dann originelle Schönheit, im Handwerk wie in der Kunst.