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Eine Merkwürdigkeit der Leipziger Ostermesse von 1707.
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starkes Gewitter und Platzregen gehabt. Es marschirte auch unterwegs eine Compagnie schwedischer Reiter vorbei, worunter zwei zu Fuß waren und zurückblieben und, halb voll seiend, uns eine kleine Angst einjagten, indessen sie hinterher kamen und brav schalten, auch die Flinten schon anlegten, um loszudrücken. Indem wir aber die Pferde ein bischen anlaufen ließen, muß­ten sie zurückbleiben.

Der Wirth in Landsberg war ein sehr possirlicher Mann und hatte viele lustige Einfälle. Um 8 Uhr Morgens ritten wir wieder von dannen und kamen gegen 7 Uhr in Zörbig,. einer fürstl. sachs. merseburgischen Residenz an, darinnen auch schwedische Soldaten lagen; von da auf Radegast, ein fürstl. anhalt-dessauisches Leibgeding der verwittweten Fürstin. Zwischen Zör­big und letzterem Orte steht eine Jnseription:

Du wirst, mein Reitender, es noch am besten wissen, Wie dir bisher so sehr vor diesem Damm gegraut, In dem sich manches Pferd zu todt arbeiten müssen, Als dieser Ort noch war grundlos und ungebaut. Jetzt wird er dir nicht mehr der Reise Last vergrößern, Weil in zweijährger Zeit mit Steinen diese Bahn Durch unermüd'ten Fleiß und Kosten lassen bessern Der Mehrer seines Lands, der theure Christian."

Mit so nachahmungswürdiger Hingebung an das monarchische Prinzip beobachtete vor anderthalbhundert Jahren ein braver deutscher Republikaner die außerordentlichen Erscheinungen, welche ihm auf seiner Reise begegneten.

Politische Rundschau.

X Leipzig, Mitte Februar. Die große Politik ist Heuer gegen ihre Gewohnheit mit dem Beginne des Februar in die Ferien gegangen. Die Völker und Regierungen haben ihre Aufmerksamkeit von den auswärtigen auf die inneren Fragen gerichtet und ruhen für einen Augenblick von der fieberischen Aufregung, mit welcher sie einander wechselseitig beobachtend herausgefordert hatten. Im Westen sind es politische, im Osten wirthschaftliche und sociale Sorgen, welche die Ge­müther beschäftigen. Ueber den gesammten Nordosten Europas hat sich ein Nothstand verbreitet, wie er seit zwanzig Jahren nicht schlimmer dagewesen ist; während im Nordd. Bunde tausende und abertausende von Thalern sür Ostpreußen gesammelt werden und doch noch nichts von der Linderung des bittersten Elends verlautet, nimmt die Hungersnoth in den verschiedensten Theilen Rußlands immer größere Proportionen an und die Spalten derselben Journale, welche noch vor wenigen Wochen von nichts als kriegerischen

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