188
Kind auf den Gütern einrücken würden und nun aus der Tasche des Gutsherrn erhalten werden sollten; und wenn sie auch einräumten, daß das Freizügigkeitsgesetz eine Aenderung der Gesetzgebung in der vorgeschlagenen Richtung erfordere, so meinten sie doch, daß es dazu noch immer Zeit sein würde, wenn die weitere Entwickelung der Bundesgesetzgebung dazu zwinge. In letzterer Beziehung schlössen sich den Rittern auch die Bürgermeister an. Der Ausführung, wonach zwischen der Erschwerung der Eheschließung und der großen Zahl der wilden Ehen und der unehelichen Geburten ein anerkannter Zusammenhang bestehe, wurde vom Landtage die Behauptung entgegengestellt, „daß nach zweifellosen Ergebnissen der Bevölkerungsstatistik in anderen deutschen Staaten.' z, B. Königreich Sachsen, welche die beabsichtigten Erleichterungen der Eheschließung bereits eingeführt haben, die beregten Mißstände in demselben oder doch in annähernd gleichem Maße vorhanden sind", wodurch wenigstens so viel bewiesen werde, „daß die letzteren in Mecklenburg keinenfalls vorwiegend auf den bestehenden Rechtszustand wegen der Eheschließungen zurückgeführt werden können." Auf Grund dieser Einwendungen wurde der Gesetzentwurf wegen Einführung von Trauscheinen von beiden Ständen und der andere wegen Erwerbung der Ortsangehörigkeit durch fortgesetzten Aufenthalt von der Ritterschaft abgelehnt.
Die Regierung wurde durch diese Ablehnung sehr unsanft berührt und sprach das in ihrem Rescript vom 21. December direct aus. Der Großherzog verzichtet zwar bei der Kürze der Zeit darauf, durch eine erneuerte Darlegung noch auf dem gegenwärtigen Landtage einer „den Bedürfnissen des Landes entsprechenden" Auffassung Eingang zu verschaffen, hält aber die Nothwendigkeit der proponirten Gesetzgebung in vollem Maße aufrecht und behält sich vor, auf diese wichtige Maßregel zurückzukommen.
Das in dieser Verhandlung hervortretende Zugeständnis? der Regierung, daß in Mecklenburg „alte, schwer auf der Bevölkerung des Landes lastende, allgemein anerkannte Uebel" zu beseitigen sind (dieser Ausdrücke bediente sich das erwähnte Rescript), ist ein vollkommen neues. Bisher war die Regierung bemüht, die mecklenburgischen Staatseinrichrungen als unanfechtbar und tadellos erscheinen zu lassen, und ihre Presse war gewohnt, alle, welche an den glücklichen Zuständen des Landes zu zweifeln wagten, als „entartete Söhne" oder als ein kleines Häuflein Unzufriedener darzustellen. Jetzt tritt die Regierung selbst in die Reihen dieser „entarteten Söhne" und erhebt eine harte Anklage gegen die Institutionen des Landes. Man begreift dabei nur nicht, wie es hat geschehen können, daß sie diese Entdeckung nicht früher gemacht hat und erst in dem Freizügigkeitsgesetz des norddeutschen Bundes den Antrieb findet, an jene verderbensäenden Institutionen die bessernde Hand zu legM. Noch weniger begreift man, wie sie die Besserung mit Ständen