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Oppenheim, H. B. : Partei oder Coterie?
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meinschaft der Vaterlandsvertheidigung abhängig zu machen und somit den folgenreichsten Schritt zur Verwirklichung der deutschen Einheit zu thun. Eine andere kaum minder wichtige Seite des Antrages bestand darin, daß die Befugnisse der Volksvertretung sich hier zum erstenmale in praktischer Anwendung über ein Gebiet erstreckten, das bisher zur sogenannten aus­wärtigen Politik gerechnet ward und das jedenfalls noch auf Staatsver­trägen beruhte. Da hörte man denn von der äußersten Linken, sie wolle der Regierung die Verantwortlichkeit nicht abnehmen oder erleichtern, nach­dem doch in monatelanger Polemik die ganze Verantwortlichkeit der Bundes­regierung als eine rein illusorische, ja völlig nichtige dargestellt worden war; und dergleichen Gründe mehr. Was waren die eigentlichen Motive? Fürchtete man die Sympathien der süddeutschen Radicalen zu verscherzen, wollte man um keinen Preis die Action der national-liberalen Partei unterstützen, oder wit­terte man etwa, daß der Antrag dem Bundeskanzler und Ministerpräsidenten gelegen kommen könnte? Das letztere Argument wurde vielfach ange­deutet, niemals abgeleugnet. Eine solche negative Haltung, die nicht ihre Gründe aus der Sache selbst schöpft, würde kaum den Namen einer syste­matischen Opposition, noch weniger den eines konsequenten Radicalis- mus verdienen!

Beim Landtag, wie beim Reichstage hielt die äußerste Linke überall an dem bureaukratischen alten Schlendrian der Commissionsberathungen fest, als ob die Commissionsberichte, einige technische Specialitäten abgerechnet, im besten Falle etwas anderes liefern könnten/ als ein Bild der Stimmungen und Ueberzeugungen des Hauses, wie es aus den Berathungen im Plenum viel unmittelbarer hervortritt. Als sich einmal auch der Finanzminister un­vorsichtigerweise für die neue Berathungsform des Budgets erklärt hatte, da machte gleich ein Abgeordneter frohlockend und warnend darauf aufmerksam.

Also ein Antrag, der von einem Minister unterstützt wird, oder einem Minister angenehm sein könnte, ist an sich schon verwerflich. Aber der Laskersche Antrag auf eine authentische Interpretation des Artikels 84 (zum Schutze der Redefreiheit) sollte, nach dem Erachten der Hauptredner der Fortschritts­partei, nur dann annehmbar sein, wenn die Regierung sich zum Voraus dafür erklärte, mit anderen Worten: wenn er ein abgekartetes Spiel wäre. Das vollständigste Verkennen des Wesens, Zwecks und der Bedeutung einer authentischen Interpretation lag darin, wenn man eine solche den Rechts­sprüchen des höchsten und anderer Gerichtshöfe gegenüber zumal, nachdem Herr Frentzel von der Fortschrittspartei sogar das über ihn ergangen« Ur­theil durch Unterlassung der Appellation hatte rechtskräftig werden lassen für überflüssig oder für compromittirend halten wollte. Die Rücksicht, ein unbedingt giltiges Fundamentalgesetz der Verfassung nicht in Frage zu stellen,