Eine Aufführung der Antigonc im modernen Athen.
In der Reihe der Festlichkeiten, die man zu Athen beim Empfang des neuvermählten Königspaares veranstaltete, war die Aufführung einer neugriechischen Übersetzung der Antigone von Sophokles im Theater des Hero- des Attikus die letzte und eigenthümlichste. Erlauben Sie, daß ich Ihnen mittheile, was ich mit den Augen des Barbaren dabei wahrgenommen habe.
Schon seit Monaten war aus der Bühne und im Zuschauerraum viel gehämmert nnd gezimmert worden und die Besucher der Akropolis, an welche das Odeion des Herodes sich anlehnt, konnten sich täglich von dem Fleiß überzeugen, mit dem man zu Werke ging, freilich auch von dem abenteuerlichen Geschmack, der sich entwickelte, und der immer toller zu werden schien, je mehr die Vorbereitungen ihrem Ende nahten. Das Gebäude, obwohl bedeutend kleiner als das alte Dionysostheater, welches eine geringe Strecke weiter östlich neuerdings wieder aufgedeckt worden ist, war mit Recht für die Bewohner des heutigen Athen zu groß befunden worden; man hatte nur einen Theil desselben zum Gebrauche hergerichtet. Die Bühne war ver« kleiner: worden indem man zu beiden Seiten Wände aufführte und zwischen ihnen auf vier Säulen ein Giebeldach herstellte, das den eigentlichen Aktionsraum bedeckte. Die Scenenwand hatte die üblichen drei Thüren erhalten; rechts und links aber von der mittelsten standen große von unten drehbare Pyramiden, deren Malereien zur Veranschaulichung der Scenerie dienen sollten; an beiden Seiten fehlten auch Coulissen nicht, und zwei Treppen führten in die Orchestra herab. Alles von Holz und alles mit sogenannten Farben überzogen. Im Giebelfeld-; hatte man sich sogar zu einer großen Malerei, grau in grau, verstiegen! Apollo hatte sich bequemen müssen, auf einer nach beiden Winkeln hin verlaufenden Ranke Platz zu nehmen, um mit enthusiastischem Blick gen Himmel die Leier zu spielen. Als weitere Deco- ration waren noch zwei Gipsstatuen aus dem Atelier eines neugriechischen Phidias auf der Bühne angebracht, und damit der Vergleich mit der Antike nicht gar zu sehr aufgedrängt werde, war die alte Plastik nur durch Statuetten vertreten, indem man alles zur Verwendung gebracht hatte, was im Grenzboten I. 1868. 6