Beitrag 
Land und Volk in den Herzogthümern : 1. Ein Blick auf das Land.
Seite
410
Einzelbild herunterladen
 

41«

In alter Zeit bot der hohe Landrücken Holsteins sowohl wie Schleswigs ein durchaus anderes Bild. Damals waren alle Haiden von der Elbe bis zur Königsau von undurchdringlichen Wäldern beschattet. Wo jetzt die segeberger Haide sich streckt, dunkelte noch im vierzehnten Jahrhundert der Urwohld, und von Lütjenburg bis Schleswig, eine Strecke von zehn Meilen, auf der gegen­wärtig nur kleine Gehölze vorkommen, rauschten einst die Wipfel des ungeheuren Jsarnho. Die Sage behauptet in ihrer poetischen Ausdrucksweise, daß früher ein Eichhörnchen den sieben Meilen langen Weg zwischen Apenrade und Ripen zurücklegen konnte ohne den Boden zu berühren, und daß es bei Tondern, in dessen Marken jetzt kein Waldbaum anzutreffen ist, einen Forst gab, in dem man die Sonne nicht sah. Die erstaunlichen Massen von Eichenholz, die man in den Mooren findet, und jener Krattbusch, der namentlich bei Rendsburg häufig auftritt und nichts anderes ist als ein Rest alter Wurzelschößlinge, sind Zeugnisse für die Begründung der Sage. Die Stämme in den Mooren legten wahr­scheinlich die Sturmfluthen einer Zeit nieder, an welche es keine Erinnerung giebt. Andere Wälder wurden, wie das Volk erzählt von den Schweden niederge­brannt. Wären sie geblieben oder mit Maß gelichtet worden, so würde die hohe Geest unzweifelhaft eine andere Gestalt haben. Die zu rasche Zerstörung jener Wälder stellte das Plateau dem Westwinde bloß, der jetzt keine Holzcultur mehr zu dulden scheint. Die Rodungen waren zu bedeutend, um von der schwachen Bevölkerung ohne Verzug urbar gemacht werden zu können. Sie bedeckten sich rasch mit Flugsand und Haidegestrüpp. Das Klima wurde rauher, und die Möglichkeit des Anbaus ging allmälig beinahe ganz verloren. Schreiten wir auf unsrer Wanderung von Osten nach Westen weiter, so führt die nächste Bodenerhebung uns wieder auf die Haide, die nächste Senkung von neuem in anmuthigere Striche. So kommen wir von Oase zu Oase, bis endlich die Luftspiegelung, die am Horizont dieser Gegenden fleißig ihre Bilder webt, in der Ferne Schiffe in ihrem Gewebe zu zeigen beginnt, und bald nachher uns die Wirklichkeit unter ihr von Weitem die schiefergrauen Wellen der Nordsee er­blicken läßt; zwischen dieser aber und dem Rande der hohen >Geest zieht sich der dritte der drei von Süden nach Norden laufenden Landstreifen Nordalbingiens hin, die Welt der Marschen.

Geht der Charakter der Ostküste im Allgemeinen nur langsam in den der hohen Geest über, so fällt der Unterschied hier, an der Grenze zwischen Geest und Marsch, allenthalben plötzlich und überraschend ins Auge. War der Osten ein hügelreicher Park, der Mitteistreif eine hochgelegene, gewellte Haidewüste, so ist die Westküste eine ungeheure durchaus ebene Grasfläche, die mit letztcrem die Baumlosigkeit, mit dem östlichsten Streifen des dreifarbigen Bandes die grüne Farbe gemein hat. War der Osten schön und wechselvoll, die Landesmitte dürr und eintönig, so ist das Hauptcharaktermerkmal der Marschen ihre außerordent-