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Beethoven und die Ausgaben seiner Werke : Beethovens Werke, in der Ausgabe von Breitkopf und Härtel. 2.
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Klaviercompositionen. so daß die Gleichmäßigfeit der Parallelstellen nach Maß­gabe des erweiterten Umfangs der Instrumente streng durchgeführt würde, wie sie wohl verlangt worden ist, sann daher jetzt in keiner Ausgabe vorgenommen werden: es ist jedem Spieler oder Lehrer zu überlassen, was er in dieser Hin­sicht Beethovens Intentionen schuldig zu sein glaubt. Ihm selbst hätte aller­dings die authentische Interpretation vollständig zugestanden, eine von ihm in dieser Beziehung vorgenommene Revision würde der buchstabengläubigen Pedan­teric wie der eigenwilligen Aenderungslust den Boden genommen haben, und wäre dankenswert!) gewesen, selbst wenn vielleicht der Consequenz hier und da eine Schönheit als Opfer gefallen wäre.

Es ist aber nicht denkbar, daß Beethoven, wenn er seine früheren Kom­positionen vornahm, sich auf so harmlose Aenderungen beschränkt haben würde und daß er denselben überall gerecht geworden wäre. Bekanntlich waren ihm manche derselben in späteren Jahren gar nicht recht, er gestand denselben einiges Talent und guten Willen" zu, aber er wurde unmuthig, wenn man sie lobte. Als er im Jahr 1814 seine Oper F i d el i o wieder aufnahm, schrieb er an den Theaterdichter Treitschkc:Uebrigens ist die ganze Sache mit der Oper die mühsamste von der Welt, denn ich bin mit dem meisten unzufrieden und es ist beinahe kein Stück, worin ich nicht hier und da meiner jetzigen Un­zufriedenheit einige Zufriedenheit hätte anflicken müssen." Vermuthlich wäre es mit den Klaviercompositionen nicht viel anders gegangen und hier wäre die Verschiedenheit in der Auffassung und Darstellung gewiß noch ungleich schärfer hervorgetreten. Wie viel Herrliches auch im Einzelnen neu geschaffen worden Wäre, die Werke, welche nicht allein den Entwickelungsgang des Componisten bezeichneten, sondern ein Gemeingut des musikalischen Publicums, dessen Bil­dung sie wesentlich bewirkt hatten, geworden waren, wären alterirt worden, und das wäre bei zweifelhaftem Gewinn ein sicherer Schaden gewesen. Einem Künstler, der sein Werk dem Publicum übergeben und durch dasselbe eine bestimmte nach­haltige Wirkung erzielt hat, steht nicht mehr die unbedingte Herrschast über dasselbe zu: was ihm auf einem später gewonnenen Standpunkt als eine un­zweifelhafte Verbesserung erscheint, wirkt in den wenigsten Fällen als eine solche, weil das Publicum bereits eine andere Stellung zu dem Kunstwerk genommen hat, die es selbst dem Urheber gegenüber festhält-, und sehr häufig ist es dabei von einem richtigen Jnstinct für das geleitet, was in jenen Werken mit ur­sprünglicher Kraft wirkte, die es sich durch einzelne Verbesserungen nicht will schwächen lassen. Allerdings bewährt sich das wahrhaft schöpferische Genie durch die mit der Production Hand in Hand gehende Selbstkritik und vielleicht ist Beethoven gerade nach dieser Richtung hin eins der wunderwürdigsten und lehrreichsten Beispiele; allein diese Kritik ist untrennbar vom Schaffen, beide durchdringen einander: dem fertigen, abgelösten Kunstwerk gegenüber ist die