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mahnt, sichert ihnen dauernden und tief eindringenden Einfluß auf alle, denen Musik ein wahres inneres Bedürfniß ist, und daß kein Künstler, Jünger wie Meister, mit dem Studium Bachs und Handels je fertig wird, mögen selbst Liebhader überwundener Standpunkte nicht in Abrede stellen.
Man ist in neuerer Zeit mit einem erfreulichen Eifer bestrebt, durch öffentliche Aufführungen aller Art und durch Einbürgern in die engeren Kreise der häuslichen Musik die Gesangs- und Jnstrumentalcompositionen Bachs und Handels allgemein zugänglich und bekannt zu machen, das Verständniß derselben und damit den wahren Genuß an denselben auf alle Weise zu befördern. Daß Componisten, welche bei ihren Schöpfungen so ganz und gar nicht an Dilettanten dachten, einem Publicum, das wesentlich aus Dilettanten gebildet ist, nicht geringe Schwierigkeiten bieten, läßt sich denken. Gar manche Voraussetzungen eines unmittelbaren Verstehens und Genießens müssen erst durch künstliche Vorbereitung erworben werden; denn wie hoch auch jene Künstler sich über ihre Zeit erhoben, sie fanden in derselben doch ihren Stand- und Ausgangspunkt. Auf diesen zurückzugehen wird daher, um für Auffassung und Form volles Verständniß zu gewinnen, nicht immer zu vermeiden sein, wiewohl dies eben wegen der universalen Bedeutung und Größe unserer Meister, wo nur wirklich musikalisches Talent und ernster Sinn für Kunst vorhanden ist, ohne große Anstrengung und weitläufigen Apparat zu erreichen ist. Für eine solche Popularisirung wirken die Publicationen der Bach- und Händelgesellschaft um so bedeutsamer, als beide den überwiegenden Theil jener unsterblichen Werke dem musikalischen Publicum entweder zuerst zugänglich machen, oder doch zuerst rein und ohne Entstellung, wie der Komponist sie geschrieben hat. Welch ein Schatz hier zu gewinnen war, wird man erst inne, nun er gehoben wird, und Generationen werden vollauf zu thun haben, ihn zum Besten wahrer Kunstbildung zu verwerthen. Indessen zeigt schon die Organisation dieser Gesellschaften, daß weder Bach noch Händel jetzt schon in dem Maße populär sind, daß man sich bei der Veröffentlichung ihrer Werke an das große musikalische Publicum wenden konnte, man war genöthigt die Künstler, Kennerund Sammler ins Auge zu fassen. Bekanntlich zahlt jedes Mitglied dieser Gesellschaften einen bestimmten jährlichen Beitrag, der Gesammtertrag derselben wird lediglich auf die Publication verwendet, und von den Werken, welche auf solche Weise jährlich im Druck hergestellt werden können, erhalten die Mitglieder ein Exemplar. Von einer buchhändlerischen Speculation ist dabei nicht die Rede, auf das Publicum außerhalb der Gesellschaft wird keine Rücksicht genommen, eine theilweise Erwerbung einzelner oder mehrer Bände ist nicht statthast. Nur dadurch, daß man den Hauptgesichtspnnkt, die sämmtlichen Werke in kritisch berichtigtem Text herzustellen, Besitz und Gebrauch derselben für alle Zeiten zu sichern, ganz streng festhielt, wurde die Ausführung überhaupt möglich. Die
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