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Der Kampf um Schlesiwig-Holstein 1848-1850. 3.
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ihrem Souverän, eventuell selbst die Entscheidung durch Waffengewalt zu über­lassen."

Aus die Möglichkeit einer solchen Trennung der schleswig-holsteinischen Sache von der preußischen hatte nun die Statthalterschaft schon seit längerer Zeit ihr Augenmerk gerichtet. Das Heer war bedeutend verstärkt worden; nicht minder wichtig war es gewesen, daß man sich der preußischen, in demselben dienenden Offiziere für jeden Fall zu versichern suchte. Vor Allem kam es dar- auf an, ob der Oberbefehlshaber, Bonin, sich entschließen würde in Preußen seinen Abschied zu nehmen, um sich ganz der Sache Schleswig-Holsteins zu widmen. Wenn aucb mit schwerem Herzen, glaubte Bonin diese Frage verneinen zu müssen. Man suchte nach einem Ersatz für ihn; derjenige, den man gewann, war W,!l>elm von Willisen. auch er ein preußischer Offizier, aber bei der preu­ßischen Regierung mißliebig geworden, als Generallieutenant zur Disposition gestellt, und nicht abgeneigt, um seiner neuen Stellung in den Herzogthümern willen seine Verhältnisse in Preußen zu lösen. Dieselbe Frage, wie an Bonin, trat dann durch eine preußische AbberufungSvrdre an die übrigen Preußen heran; natürlich, daß Viele dem Beispiele Bvnins folgten. Die Armee litt einen beträchtlichen Verlust an höhern und niedern Führern, und sie mit neuen Offizieren zu versehen, wurde sowohl durch diese Abgänge, wie durch die ge­schehene Verstärkung, zu einer der erste» Aufgaben für den neuen Oberbefehls­haber. Was diesen selbst betrifft, so hatte sich derselbe hauptsächlich als einen Militärschriftsteller von originellen Ansichten bekannt gemacht. Durch mannich- fache Lebenslagen hindurchgegangen, hatte er eine reiche und ausgebreitete Bil­dung und eine Freiheit von manchen Einseitigkeiten und Befangenheiten ge­wonnen, wie sie sonst wohl Beruf, Stellung und dergleichen dem Menschen zu geben Pflegen. Den Krieg hatte er praktisch schon in ganz jungen Jahren. 1806 und 7, dann durch Theilnahme an dem östreichischen Feldzug von 1809 sowie an den Befreiungskämpfen kennen gelernt; und von seiner Bereitwilligkeit, die eigene Person der Gefahr auszusetzen, hat er auch in Schleswig-Holstein die glänzendsten Beweise abgelegt. Wie er jedoch nicht als ein von der Sache der Herzogtümer wahrhaft Ergriffener die Verfechtung dieser Sache übernahm, so erschien überhaupt in seinem Wesen eine gewisse Mannichfaltigkeit der Re­flexion den festen, bestimmten Entschluß nicht leicht aufkommen zu lassen; nö­thigte ihn aber der drängende Augenblick unabweisbar zu einer Entscheidung über Großes, so geriet!) er dann wohl, wie es an talentvollen Männern von solcher Art so oft gefunden wird, unter die Herrschaft einzelner, zufällig hervor- tretender Umstände, statt seinerseits diese Umstände in ihrer Gesammtheit zu überblicken und zu beherrschen. Von vornherein schöpfte er große Hoffnungen aus einer eigenthümlichen, in ihm entstandenen Auffassung der diplomatischen Sachlage; zu wirtlichem Kampfe kam es weit eher als er gedacht. Durch große

Grenjboten I. 1864. 36