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genügend motiviren und entschuldigen würde, so steht doch zu erwarten, daß die Kostcncrböhung auf der anderen Seite durch erhebliche Ersparnisse ausgeglichen werden könnte. Die Ueberfülle kostspieliger und unbedeutender Virtuosen würde und mühte allmälig in Wegfall kommen; denn wie es schon jetzt, wo das Programm sich nicht einer sonderlichen Strenge befleißigt, wunderbar genug erscheint, wenn unmittelbar nach einer haydnschen Schöpfungsarie das geistlose Geklingel einer Harfenphantasie von Parish-Alvars ertönt, so würde der immer mehr geläuterte und durch Besseres genährte Geschmack des Publi- cums jenem Zuckerwerk bald von selbst entsagen, das bekannte Motto des Cvnccrtsaales: res severa est verum gÄuäium immer mehr beherzigen und sein im guten Sinne durchaus berechtigtes Interesse für Virtuosität auf wahrhaft bedeutende Erscheinungen, wie z. B. Clara Schumann und I. Stockhausen concentriren.
Sollte sich aber doch ein Theil in der Zuhörerschaft finden, welcher der liebgcwordencn Gewohnheit nicht entsagen möchte, so stände mit Sicherheit von dem Kunstsinne der Direction zu erwarten, daß sie sich an die Böotier unter ihren Athenern nicht kehren, und, im Bewußtsein, den Forderungen der Kunst und des Institutes gleichmäßig gerecht geworden zu sein, ihren Weg getrost verfolgen würde.--—
Die Einrichtung der Programme ist im Wesentlichen dieselbe wie früher geblieben. Das Concert zerfällt in zwei Theile, von denen der erste, eingeleitet durch eine Ouvertüre oder eine kleinere Symphonie, den Solovvrträgen, der zweite einem größeren Stücke, zumeist einer großen Symphonie gewidmet ist.
Bei dem vielfach sehr schwachen Theile der Solvvorträge. in denen sich oft das traurigste Zerrbild der Musik vordrängt, concentrirt sich das Hauptinteresse auf die Symphonien. Und mit Recht; denn auf diesem Gebiete sind die Leistungen unseres Orchesters vortrefflich zu nennen. Dafür, daß dem Lichte der Schatten nicht fehle, wird freilich durch ein neckisches Schicksal gesorgt, welches z. B. in diesem Winter besonders die Hörner und Holzbläser zu verfolgen scheint, so daß die bekannten Mißtöne in dieser Saison etwas häufiger erklangen als selbst durch die Temperaturverhältnisse des Saales entschuldigt werden mag.
Ein tiefer greifender und empfindlicherer Uevelstand aber äußert sich in den Tempi, in denen mancher schlimme Mißgriff zu registriren wäre. Gerade hier zeigt es sich, was auch bei dem einzelnen ausübenden Musiker vorkommt, daß ein so wobleingespieltes und der Schwierigkeiten Herr gewordenes Orchester leicht verleitet wird, einen freien Gebrauch seines Könnens bis zu der Grenze zu steigern, wo der Mißbrauch eintritt. Daher kommt dann jenes maßlose Uebertreiben der Tempi, jene Hast und Ruhelosigkeit, mit der besonders die ersten Geigen in schnellen Sätzen einherstürmcn, so daß die Figuren und