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bekannt sind der „prügelsüchtige Orbilius", die Züchtigungsscene auf einem der Herkulanischen Wandgemälde und die Schilderung der Schulzucht bei Ausonius. Die Züchtigungsinstrumente waren die kernig, oder v«x>S^, eine Gerte von Pfriemenkraut, mit weicher man auf die Hand schlug, die seutica, eine Peitsche aus Riemchen, und das noch weniger gelinde gaMllum, die Geißel, mit welcher man die Sklaven züchtigte.
Der Unterricht, nunmehr in drei Stufen: den elementaren, den grammatischen und den rhetorischen zerlegt, dauerte, nur von den viermonatlichen Sommerferien und den großen Festtagen sowie wahrscheinlich auch von den Jahrmarktstagen unterbrochen, bis zu der Zeit, wo der Knabe die Toga anlegte, der rhetorische Unterricht mitunter auch Kber diese hinaus. Indeß irrt man. Wenn man glaubt, - die griechische Bildung habe nunmehr in der Masse der römischen Bevölkerung Beifall und Eingang gefunden. Sie war vielmehr während der ganzen Zeit der Republik äußerst unbeliebt beim Volke, welches noch immer den Grundsatz des alten Cato festhielt: „bonurri illoruin litteras iuspieers, rwn xizräiseers" und „quÄinloque istg, Mus suas littei-g.8 ctabit, oirinis, eorrumpst." Solcher Ansicht gegenüber meinten die Redner ihre griechische Bildung nur vorsichtig geltend machen zu dürfen, was auch von Seiten Ciceros geschah, der nicht nur in den Reden, sondern auch in den Einleitungen zu seinen philosophischen Abhandlungen dahin gehende Aeußerungen thut. So, wenn er Inse. I., 1 den Sah aufstellt: „Immer war es meine Ansicht, daß unsre Leute entweder alles für sich klüger als die Griechen erdacht oder doch das von jenen Empfangn? verbessert haben." Und so, wenn er wiederholt die Meinung seiner Zeit dahin ausspricht) daß die Wissenschaft zwar für die Erziehung junger Menschen und die Beschäftigung in Mußestunden passe, für den Lebensberuf des Menschen aber ungeeignet sei.
Seit dem Beginn der Kaiserzeit war solche Verläugnung des Besitzes und des Werthes der griechischen Bildung allerdings nicht mehr nöthig. In der Literatur kam das griechische Vorbild zur entschiedenen Anerkennung, in den öffentlichen Bibliotheken, wie in den Büchersammlungen der Privatleute waren die römische wie die griechische Dichtung und Wissenschaft gleichmäßig vertreten, in Rom wurden Lehrer der artss lider-ales gesucht und geehrt, über den ganzen Umfang der westlichen Provinzen verbreitete sich der Geist der hellenistischen Schulen. Aber der Geschmack in Poesie und Beredsamkeit, nunmehr sich befestigend durch die Mode gewordenen Recitationen sowie die in allen Rhetoren- schulen eingeführten Suasorien und Controversen, und der erweiterte Kreis der Schulbildung, die e/xi^-os 7r«tSkt«, zu der namentlich auch Musik und Geometrie gehörten, blieb immer ein Vorzug der höheren Stände und gewann niemals Einfluß auf die Volksmassen im Westen des römischen Reichs. In der zweiten Periode der Kaiserzeit aber (die etwa mit Hadrian beginnt) wurden die
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