Beitrag 
Eine Sitzung der würtembergischen Abgeordnetenkammer.
Seite
147
Einzelbild herunterladen
 

147

durchaus gesetzlichem Boden stehe und zugleich im Namen seiner Freunde ent­schieden gegen willkürliche Polizeimaßregeln gegen denselben Verwahrung ein­legte. Seine Rede trug zugleich dazu bei. die verwunderliche Haltung, welche die große Mehrzahl der Würtemberger am 21. December eingenommen, einiger­maßen aufzuklären. Es mußte nicht wenig aufsallen, daß Herr v. Lcrchenfeld neben nur 15 Bayern 18 Würtemberger für seinen Protest gewonnen hatte, und daß auch die andern meist gegen den Ausschuß wenigstens stimmten. Es erklärt sich diese Erscheinung einmal daraus, daß gerade aus der würtembergischen Kammer viele Conservative in Frankfurt erschienen waren, hauptsächlich aber aus der vertraulichen Vorberathung, welche die würtembergischen Kammermitglieder zuvor gehalten hatten. Sich berufend auf die Einigkeit der Parteien. deren Erhaltung das dringendste Interesse sei, hatte es hier die conservative Seite durchgesetzt, daß sämmtliche Würtemberger eine Art von landsmannschaftlicher Gesammthaltung verabredeten, die darin'bestand, Anträgen, welche über eine Resolution hinausgingen und dadurch die Einigkeit der Parteien gefährdeten, die Zustimmung zu verweigern. Durch diese Verabredung kamen die liberalen Mitglieder, wie vorauszusehen war, in eine fatale Situation. Offenbar konn­ten sie zu Hause nur versprechen, daß sie selbst sich solcher Anträge enthalten wollten. Waren diese aber von anderer Seite einmal eingebracht, so hatte je­der nur nach seiner politischen Ueberzeugung zu stimmen. Je mehr sie sich ih­ren politischen Freunden anschlössen, um so kleiner war dann die Minorität, um so geringer die Bedeutung der Secession. Ein Theil folgte diesen Er­wägungen, der größere Theil glaubte sich aber, obwohl die Trennung, die man vermeiden wollte, bereits eingetreten war, an die frühere Verabredung gebunden, was dann weiter zur Folge hatte, daß der Ausschuß, was die Auswahl der würtembergischen Mitglieder betrifft, nicht in der Weise besetzt werden konnte, wie man zuvor in Aussicht genommen hatte. Uebrigens muß anerkannt werden, daß dieser ganzen Streitfrage, die anderwärts so viel Rumor machte, in Wür- tcmbcrg wenig Erheblichkeit beigelegt, und, nachdem einmal der Ausschuß be­stand.-derselbe mit voller Unbefangenheit beurtheilt wurde. Wenn gleichwohl das stuttgarter Comite; bis heute rathlos ist und zu keinem Entschluß gelangen konnte, so tragen daran übergroße Scrupulosität und municipale Verhältnisse die Schuld.

Es war am Platze, daß auch aus den Reihen der protestantischen Prälaten­bank eine Stimme gehört wurde. Gerade die würtembergische Geistlichkeit hat sich des guten Rechts der Schleswig-Holstciner mit großer Wärme angenommen, und der Gegensatz, welchen die Rede des Prälaten v. Mehrina. zu der seines katholischen Collegen bildete, war bezeichnend genug. Nicht nur der Freimuth seiner Worte, sondern auch die überlegene Bildung, ja der staatsmännische Takt, den der Prälat mit den seingeschnittenen aristokratischen Zügen zeigte, machte

19*