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Die ShakesMreaussjihrungen in Weimar.
Franz Dingelstedt, bekanntlich Generalintendant der weimarischen Bühne, hat die Abficht, den 1864 zu begehenden dreihundertjährigen Geburtstag Shakespeares in der würdigsten Weise auf dem seiner Leitung untergebenen Theater zu seiern. Auf die würbigste Weise: nämtich durch die Aufführung von sieben historischen Stücken des großen Dramatikers (Richard der Zweite, Heinrich der Vierte, 1. und 2. Theil, Heinrich der Fün,)e, Heinrich der Sechste in zwei Theilen und Richard der Dritte). Er hat dieselben zu diesem Zweck neu bearbeitet oder wird, soweit dies noch nicht geschehen, bis zu dem bezeichneten Zeitpunkt diese Aufgabe vollenden. Einstweilen hatte er fiu' die Tage vom 27—30. December die Aufführung der vier ersten unter den oben genannten Dramen angekündigt. Bei der Wichtigkeit des projectirten Unternehmens für die deutsche Bühne und der nur von Kurzsichtigkeit verkannten nationalen Bedeutung der Bühne ist es wohl die Pflicht d. Bl., ihre Leser von dem Erfolg zu unterrichten, den diese, man kann wohl sagen, Probevorstellungen gehabt haben.
Die Aufführung „de5 ersten Stücks aus dem Cyklus von Shakespeares englischen Historien", Richards des Zweiten, bot mir, ich gestehe es, schon deshalb ein besonderes Interesse, weil dieselbe der Vorstellung, welche ich von dem Gang und Inhalt des Stücks mir gebildet, sehr wesentlich entgegengesetzt war. Der Richard der Zweite Shakespeares ist, so scheint es mir, im Großen und Ganzen der Richard der Zweite der Geschichte: schwach und wankelmüthig, dabei aufbrausend und tyrannisch: diese Eigenschaften und die Vorliebe für unwürdige Günstlinge stürzten ihn in der Wirklichkeit, und dieselben Motive führen, denke ich, bei Shakespeare seinen Untergang herbei. In beiden Fällen widmen wir der stürzenden Größe unser Mitgefühl ohne uns zu verhehlen, daß der Sturz verdient ist. Wenn es mir so auf der einen Seite schien, daß Shakespeare seinem Richard eine schwere Schuld auferlegt, welche durch schweren Fall gebüßt wird, so erscheint anderseits Bolingbrvke bei dem Dichter im Ansang seines Unternehmens in seinem relativen Recht. Er ist ungerecht verbannt, ja die Güter seines Hauses sollen ihm entzogen werden: diesem schweren Unrecht widersetzt er sich mit den Waffen in der Hand, allerdings seinem rechtmäßigen Konig gegenüber Rebell, aber Rebell, um Gerechtigkeit zu fordern und zu erlangen. Denn davon ist er im Ansang, wie mir scheint, weit entfernt, den König stürzen zu wollen: aber das eigene Unternehmen reißt ihn fort, die Krone lockt ihn, und es ist, wie Schlegel schön angemerkt hat, meisterhaft dargestellt,