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Die deutsche Landwirtschaft sonst und jetzt. 3.
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Aber wir sind Geschäftsleute. Ist es für uns vortheilhafter, die Melasse der Rübenzuckerfabrik auf Spiritus, deren Schlempe aber auf Potasche zu verarbeiten, und hat unser Boden gar ein Plus an Kali, wer möchte es uns verdenken, wenn wir, statt sie zu behalten, phosphorsaure Erden für sie eintauschen? Wir sind Geschäftsleute. Wir kaufen in dem einen Jahre ledig­lich phosphorsaure Erden, ein ander Mal aber Oelkuchen und das dritte Mal Kleie. In besonderen Fällen lassen wir diesen Rückkauf und versparen ihn uns auf ein späteres Jahr, oder wir finden, daß wir durch Zukauf mannig­facher Rohstoffe- Heu, Kartoffeln, Rüben u. s. f., deren unverbrennliche Theile unserem Boden das ihm Entzogene genügend ersetzen, eine weitere Zufuhr con- centrirter Mineralien ersparten. Der Marktpreis regulirt unseren Willen. Wir sind Geschäftsleute. Wir können selbst nicht dafür, wenn unserem Boden bis­weilen das Entzogene mit einem Partikelchen !zu wenig ersetzt wird; es gibt eben Fälle, daß dieser Ersatz zu theuer ist. Wir mögen uns nicht ruiniren zum Bortheil einer Generation, die wer weiß über welche andere Naturgesetze gebietet und günstiger stehn wird, als die heutige. Wenn alle Landwirthe Knochenmehl kaufen wollten, so würde sein Preis unerschwinglich werden. Wollte es verwendbar bleiben, so müßte auch das Korn theurer sein. Aber aus weiterer Ferne und leichter führt man Weizen zum Markt als Knochen, und während somit der Preis für jenen fällt, steigt er für diese. England kaufte Weizen in Deutschland, als dieses noch ein Plus ausführte und billiger abgab. Als er hier theurer ward, aber die Knochen in Deutschland noch nicht bezahlt wurden, nahm man diese und begann, Weizen aus Odessa zu beziehen. Sendern jedoch den deutschen Landwirthen durch höhere Kornpreise ermöglicht worden ist, die Knochen zu behalten, mußten die Engländer solche aus Odessa holen und Mehl in Amerika bestellen. Seitdem auch aus Rußland der höhere Preis für Knochen nicht die Ausfuhr mehr lohnt, führt man Apatit aus Ca­nada und Baker-Guano ein. So mag es auch in Deutschland kommen. Wir werden uns noch weitere Phosphorsäurcquellen zu erschließen wissen, wenn der Preis für Weizen nicht mehr durch ungarische und polnische Zufuhr gedrückt wird, vielleicht auch durch Ausbleiben des amerikanischen Mehles höher geht, oder wenn man nach Deutschland nicht mehr den Ueberfluß nahegelegener Kornländer führt.

Daß aus Deutschland mehr Knochen und Oelkuchen aus- als eingeführt werden, ist einüberwundener Standpunkt". In Mainz wird für diese Waare oft ein höherer Preis als in London bezahlt, und sehr selten ein so nie­driger, daß sich der Transport bezahlt machte*). An Oelkuchen wurden zwar 1858 357,272 Ctr. über die deutsche Zollvereinsgrenze geführt, aber eingeführt

-) Siehe Zeitschrift für die landwirthschciftlichen Vereine des Großherzogthums Hessen 1861. Nr. 7 und 27.