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freilich glückliche Umstand, daß er ein Lehrbuch schrieb und damit eine Grundseste der Landwirthschaft erbaute. Hiermit soll nicht entfernt eine Geringschätzung dieses classischen Werkes ausgesprochen sein. Ich rede im Augenblick von dem unmittelbaren Erfolge Thaers, und da mache ich aufmerksam, daß der ersten Abnehmer seines Lehrbuchs überraschend wenige waren, während seine Praxis auf einer staunenswerthen Anzahl von Gütern und in ganz Deutschland sofortige Nacheiferung fand. Trautmanns Werk: „Versuch einer wissenschaftlichen Anleitung zum Studium der Landwirthschaftslehre" war weit mehr verbreitet und hatte 1822 bereits drei Auflagen erlebt, während es heute vergessen wird. Auch waren schon vor Thaer zwei immerhin bedeutende Werke erschienen: Beckmcmn „Grundsätze der deutschen Landwirthschaft" (Göttingen 1769) und „Versuch einer Darstellung der höheren Landwirthschaftswissenschast für Cameralisten, Oekonomen und Oekonomieverwalter" von A. L. von Seuter, 1800, welche genügen konnten, eine wissenschaftliche Aufmerksamkeit unter den Landwirthen wach zu rufen. Aber jene Schriftsteller waren keine praktischen Landwirthe — das sagt Alles, und ich behaupte, daß es für den Fortgang der Reformation der Agronomie nicht schlimmer gestanden hätte, wenn Thaers Werk statt 1809 erst 1825 erschienen wäre, daß sie aber gar nicht vorgeschritten wäre, wofern Thaer als Nichtlandwirth zu Landwirthen gesprochen, und daß Thaer heute nicht als Reformator gepriesen würde, wenn er nicht in Möglin gezeigt hätte, daß er das Reformiren verstünde. — Solches hat man ein Recht in einer Zeit zu sagen, in welcher Mancher zu glauben scheint, Thaer habe lediglich als gescheidter Mann, das Wissen seiner Zeit combinirend, ein ausgezeichnetes Lehrbuch zu schreiben brauchen, um jetzt als gefeierte Größe dazustehn, und es bedürfe überhaupt nur des rcsormirendcn Schreibens über landwirtschaftliche Gegenstände, um sofort als ein neuer Gesetzgeber aus allen Fluren geehrt zu werden.
Adam Smith konnte mit seinem Werke: „Untersuchungen über die Natur und die Ursachen des Nationalreichthums" eine neue Wissenschaft erschließen und der Reformator der Staatswissenschaften werden: ein Thaer mußte Kartoffel bauen und Schafe züchten, deren Ruf so groß war, als der Ruhm ihres Züchters. Die Landwirthschaftswissenschaft ist und bleibt eine Erfahrungswissenschaft; ihre Lehren schöpft sie combinirend aus der Thatsache, die Erklärungen und Gründe für ihr Thun löst sie mit Hülfe der Grundwissenschaften. — Diese Grundwissenschaften der Landwirthschaft waren aber zur Zeit Thaers noch nicht so ausgebildet, daß sie ihn befähigen konnten, für ewige Zeiten unantastbare Gesetze aufzustellen und Thaer hat allerdings, soweit er sich mit naturwissenschaftlicher Begründung einließ, manches Irrtümliche gelehrt, jedoch den Irrthum seiner Zeit. Er war der Linn« der deutschen Landwirthschaftslehre. , Allgemein war zu seiner Zeit der Satz gültig, daß die Pflanze eine schöpfe-