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Die Woche der Thronreden.
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er einen fertigen Plan bedächtig dem Urtheil seiner Rathgeber unterwirft und in freier Entschließung ihn entweder still zurücklegt, oder trotz ihrem Wider­spruch zur Ausführung bringt. Mehr als ein Mal sind solche Pläne durch den einstimmigen Protest seiner Bertrauten unterdrückt worden, sie sind deswegen nicht aufgegeben und kommen vielleicht in später Zeit unter andern Umständen plötzlich wieder hervor. Ja, wie man erzählt, besteht unter den verständigen Routiniers in der Nähe des Kaisers eine immer wiederkehrende bange Sorge vor seinenIdeen", bei denen unsicher sei. ob sie abenteuerlich, abstrus oder großartig herauskommen. Aber wie seine Speculationen und Pläne bei ihrem ersten Hervortreten zuweilen erscheinen, seine Stärke besteht, so scheint uns, darin, daß dem träumerischen und springenden Erfinden ein kluger Verstand immer auf dem Fuße folgt. Mit der besten Manier weiß er Undurchführbares bei Seite zu schieben, sich aus Verwicklungen herauszuziehen und vielleicht durch eine kleine Wendung und durch richtige Behandlung seiner Gegner doch noch etwas für sich durchzusetzen. Denn wie weitschichtig und seltsam zuweilen seine Combinationen sind, ebenso scharf, sicher, von Illusionen frei, ist sein Ur­theil über Personen und gegebene Verhältnisse. Und dies feste Uebersehen hat ihn fremder Unsicherheit gegenüber bis jetzt immer wieder in Vortheil gesetzt.

So, meinen wir, wird es auch mit dem Plane eines allgemeinen Con- gresses und einer großen Fürstenzusammenkunft gehen, den er jetzt vor dem er­staunten Europa ausgesprochen hat. Es ist kein neuer Plan. Nach dem orien­talischen Kriege und nach dem italienischen Kriege trat er gegen seine Verbün­deten hervor. Jahre lang hat England gegen diese stilleIdee" des Kaisers gekämpft. Was ihm jetzt den Gedanken wieder nahe legt, ist zuverlässig nicht blos der Wunsch, eine neue Vergrößerung für Frankreich, eine neue Bedeutung für sich zu gewinnen, sondern er ist auch hierin noch ein wenig Gelehrter der Weltgeschichte, er empfindet es als einen großen erwärmenden Gedanken, für Europa dauernde Zustände zu gewinnen; es ist ihm vorläufig Ernst, wenn er aus­spricht, daß er damit nichts für sich und Frankreich gewinnen wolle, in seinem nachdenklichen und speculirenden Haupte wälzt er alle unsicheren und nach Entscheidung ringenden Staatsverhältnisse der Erde herum, und er denkt in der That an eine glückliche Zeit für sich und Frankreich, wo entschieden sein wird, was jetzt sein Budget belastet, die Stimmungen seines Volkes aufregt, Handel und Kredit erschüttert. Aber ebenso wahrscheinlich ist, daß ihm trotz dieser großen und philosophischen Auffassung seiner Stellung, wenn der Plan praktische Folgen hat, durch das Widerstreben der Gegner, durch die Wünsche der Freunde und durch die verständige Rücksicht auf seinen und Frankreichs Vortheil bei der Ausführung selbst die' Gesichtspunkte in den Vordergrund treten würden, welche seinem Interesse besser dienen, als dem Vortheil der Andern.