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dinal die Honneurs macht, ist fast ausschließlich mit Herrn gefüllt, oft in Gala- tracht; der schwarze Frack darunter nur in trauriger Vereinzelung. Im zweiten Zimmer empfangt die Herzogin v. Sermoneta die Damen, sie thut es dem' Cardinal zu Gefallen, der ein langjähriger Freund ihres Hauses ist. In den andern Gemächern mischt sich die Gesellschaft mehr durcheinander. Allgemein fallen die Engländerinnen auf durch die stolze Schönheit, ihrer Gestalten, die blühende Frische ihrer Gesichter, sie schlagen die geschmackvoll gekleideten graziösen Französinnen und die römische Damenwelt vollkommen aus dem Felde; denn die Aristokratie des Landes, die in stolzer Exclusivität nur unter einander heirathet, ist äußerlich, wie innerlich ziemlich verkommen, ihre Erscheinung meist dürftig und klein, wettn schon ihr Benehmen vornehm und fürstlich ist. Heute sind auch sie alle im höchsten Glänze erschienen, in den Haaren glänzen die kostbarsten Brillantdiadcmc, und gelbe, blaue, rothe Sammtroben, an denen übrigens die nicht immer sauberen Finger der Kammerzofen bemcrkliche Spuren hinterlassen haben, bilden ein Gewirr von Hindernissen, durch welches sich hindurch zu arbeiten nicht immer leicht ist. Schlicht und bürgerlich mischen sich darunter einige Gestalten in einfachen dunkeln Kleidern, meist deutsche Damen, die auch einmal diese Pracht haben ansehen wollen. In einem kleinen Hintergemache ist eine Pyramide von Dolchen, Pistolen, Messern u. d. g. aufgepflanzt, an deren einigen sogar die Etikette „vergiftet" angebracht ist. Ein preußischer Offizier, der in schleswig-holstcinischen Diensten gestanden, äußerte den kecken Gedanken: am Ende sei der Herr Cardinal früher Brigant gewesen und habe diese Sammlung von Instrumenten seines ehemaligen Berufs als ein Zeichen aufgepflanzt, wie sich die Zeiten ändern können, und in der That, solche Vermuthungen überschreiten die Sphäre der Möglichkeit durchaus nicht. Aber ein Herr, der neben uns stand, und diese deutsch geflüsterten Worte hörte, berichtete, daß Cardinal Pentini im Jahre 1848 die aufständischen Bewohner von Civita Vccchia beschwichtigt und sie vermocht habe, ihre Waffen ihm auszuliefern. Nun, da hatte Se. Eminenz Muth und Verstand gezeigt, und wir mögen ihm deshalb die kleine Genugthuung wohl gönnen.
In dem Gewühl fällt uns eine Gestalt in päpstlicher Kämmerlingsuniform auf. Man sieht dem Manne an, die ganze Gesellschaft behagt ihm nicht, und das glänzende Kleid ist ihm unbequem; unruhig springt er herum, sein Gesicht, sein ganzes Benehmen hat etwas Faunisches. Es ist Don Michel Angelo Cas- tani Herzog v. Sermoneta, der geistreichste und liberalste aller römischen Prinzen, der erste Kenner Dantes, von dem er jedes Wort auswendig weiß. Er meidet sonst solche Zusammenkünfte, und nur seinem Freunde Pentini zu Liebe ist er heule mit seiner Familie gekommen; denn er haßt das ganze päpstliche Regiment aus tiefster Seele. Allgemein gefürchtet wegen seiner scharfen spitzigen Zunge, aber vorsichtig und mißtrauisch, schüttet er nur Fremden gegenüber
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