Contribution 
Die preußischen Wahlen.
Page
184
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

184

Unterdes; haben die Urwahlen unter einer so starken Betheiligung der Wähler stattgefunden, wie sie in der Verfassungsgeschichte aller Staaten fast unerhört ist. Die Wahlen der Abgeordneten werden den Beweis liefern, daß man die Krone vergebens zu dem bedenklichen Schritte veranlaßt hat, einen persönlichen Willen mit voller Entschiedenheit in die Wagschale zu werfen, und daß die despotischen Erlasse einzelner Minister an ihre Beamten im Ganzen nur dazu beigetragen haben, den Unwillen des Volkes gegen das Ministerium zu verstärken. Voraussichtlich wird das Ministerium durch alle Pressuren und Einschüchterungen kaum ein Dutzend Stimmen mehr für sich gewinnen, ja seine Rechnung mag sich noch schlechter stellen.

Darüber, was die Majorität der neuen Kammer thun wird, um der Stim­mung des Landes gerecht zu werden, kann man natürlich nur Muthmaßungen haben. Mit zwei Wünschen aber begrüßen wir die neuen Wahlen. Möge das Abgeordnetenhaus daran denken, daß die hochgespannte Erwartung nicht nur im eigenen Lande ihr wünschenswert!) machen muß, den unsühnbaren Gegen­satz zwischen ihr und der Negierung sofort in einer Weise zu constatiren, welche alle Versuche hinzuziehen und durch kleine unwesentliche Concessionen zu be­sänftigen unmöglich macht; denn für Preußen gibt es gegenwärtig nur ein Heil, den Streit rücksichtslos bis zum vollen Siege der liberalen Partei durch- zufechten. Das Vergleichen und Vertuschen der innern Schwäche auf unge­nügenden Grundlagen wäre eine unreinliche Arbeit, und keiner, dem die Ehre seines Vaterlandes am Herzen liegt, soll die Hände zu solcher Arbeit bieten. Gerade wer die Bedeutung der conservativen Elemente in Preußen hochstellt, muß wünschen, daß ihre Wirksamkeit für die Zukunft der ungesunden Zuthaten entkleidet wird, welche sie jetzt dem Staate verderblich machen, und das ist in dem gegenwärtigen Stadium des Streites nur möglich durch ein gründliches Demüthigen ihrer Vertreter. Ferner aber hat die Opposition sich bis jetzt im Ganzen in vorsichtiger Defensive verhalten; noch in dcn Flugschriften des Preß­vereins ist zu sehr diese Stellung zu erkennen. Das gesetzliche Leben in Preußen ist unterbrochen, das Land befindet sich in der unsicher» Schwebe von Ausnahmezuständen. Es genügt nicht, mit dem Gesetzbuch in der Hand Rechte zu vertheidigen, welche die Gegner verwegen durch eine Reihe ungesetzlicher Mittel beeinträchtigen. Die Führer einer politischen Majorität dürfen in solcher Lage nur ein festes Ziel haben, und dies Ziel darf kein anderes sein, als sich zur Regierung zu bringen. Dafür sind alle Kräfte anzustrengen, und was entgegensteht, ist planvoll anzugreifen, bis es überwunden wird. Nun weiß Jedermann, daß das Abgeordnetenhaus, welches im November zusammen­tritt, schwerlich in die Lage kommen wird, einen großen Sieg zu feiern, aber es hat die Ausgabe, die ersten öffentlichen Schritte zu thun, und seine Mit­glieder haben die nicht minder wichtige Aufgabe, sich über daS zu verständigen,