Beitrag 
Tagebuchsblätter vom leipziger Fest.
Seite
164
Einzelbild herunterladen
 

1K4

Nach sechs Uhr begann die Feier mit dem Geläut aller Glocken, während unten durch die Straßen die Reveiile ging. Später fand in den Kirchen der verschiedenen Bekenntnisse ein auf den Gegenstand des Festes bezüglicher Gottes­dienst statt, wobei man einige gute Predigten gehört haben soll. Alle Gassen und Plätze der Stadt prangten jetzt im Schmuck von Flaggen, Panieren und Fahnen, deren der Morgen noch viele neue herausgesteckt hatte, und unter denen die deutsche Tricolorc noch mehr überwog, als beim letzten Fest. Die könig­lichen Gebäude waren nur mit dieser geschmückt. Auch das kleine Palais am Park, welches der König bewohnt, wenn er sich in Leipzig aushält, flaggte in den deutschen Farben*).

Die Mittagsstunde versammelte alles Volk vor der großen Tribüne auf dem Markte, wo die vereinigten Männergesangvereine der Siadt, verstärkt durch berliner und dresdner Sänger, gegen das Ende hin auch durch Damen, zunächst das Herr Gott, Dich loben wir" nach einer Compvsition vom Kapellmeister Neinccke sangen, dann das Hallcluja aus HandelsMessias" und zuletzt Arndts ,.Lob- gescmg: Wohlauf mit Herz und Muth", componirt von Nägeli vortrugen. Die Aufführung dieser geistlichen Musikstücke ließ nichts zu wünschen übrig. Da­gegen berührte unangenehm, daß einmal Bravo und Händeklatschen aus der Menge den Sängern dankte. Auch waren drei Piecen, die doch wesentlich den­selben Gedanken in Tönen ausklingen ließen, wohl zu viel, zumal sie die un­geheure Mehrzahl der zwölf- bis fünfzehntausend Versammelten zum Schweigen nöthigten und so sich als Nichtbetheiligte betrachten ließen, während der Cha­rakter des Festes möglichst allgemeine und möglichst ununterbrocheneMitwirkung der zur Feier Zusammengekommenen verlangte. Gewiß nicht so kunstgerecht, aber viel ergreifender als jener bei der Weite des auszufüllenden Raumes doch etwas dünne Gesang der drei ersten Stücke klang es, als zum Schluß das Nun danket Alle Gott" begann und allmälig die Kopf an Kopf den Markt und die angrenzenden Gassen füllende Menge brausend wie große Wasser in den Gesang einstimmte.

Kunstfreunde mögen diese Bemerkung ungerechtfertigt finden. Mir schien sie am Orte. Jener erste Theil hatte etwas von einer katholischen Messe.

Eine Hochherzigkeit, welche wir brauchen nicht zu sagen, warum einen doppel- ten Triumph feierte, und welche ohne Nebengedanken zu ehren d, Bl, nicht das letzte sei» will. Möchten sich darin zunächst diejenigen unsrer allerdurchlauchtigsten Herren zu spiegeln ge­ruhen, welche durch die Freiheitskriege gewonnen, nicht verloren haben und doch jetzt die deutsche Fahne verläugncten. Und möchten sich daran auch die guten Beschränkten für die Zukunft ein Beispiel nehme», welche am 1!>. im Schützeuhaus ihr Scparatvergnügen haben mußten und dort nicht wie ihr König den Gott, der die große Befreiungsschlacht zum Siege der deutschen Waffen lenkte, sondern nur den Engel oder Erzengel ehren zu dürfen vermeinten, der nachträglich die Stadt vor den wilden Preuße» zu schützen hatte. D. Red.