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Eine neue Meinung über Pharisäer und Sadducäer.
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sanatische Volksführer dem kühlen, mehr auf das Familieninteresse als auf das öffentliche Wohl bedachten Patriciat gegenüber, waren gewissermaßen die Iv^v olmreli neben dem Hochkirchenthum. Orthodox wollten beide Parteien sein. Die Sadducäer waren allerdings lau gegen das Eindringen fremder Elemente, keineswegs aber hellenisirte Freigeister. Palästinensische Schriftgelchrte belegten, wie wir aus dem Talmud wissen,den, welcher Schweine züchtete, und den, welcher seinem Sohne die griechische Wissenschaft lehrte," mit demselben Fluche. Ein Nabbi, gefragt, welches die passendste Zeit sei, die Kinder in die hellenische Weisheit einzuweihen, antwortete:Die Stunde, welche weder Tag noch Nacht ist; denn im Gesetz steht geschrieben: Du sollst es Tag und Nacht studiren." Sicher gehörten weder jene Schristgelehrten noch dieser Rabbi zu den Sadducäern. Aber wenn diese nicht gegen das Griechenthum und seine Freunde eiferte», so war-der Grund davon nur Gleichgiltigteit gegen dieses, nicht Gleich- giltigteit gegen das Gesetz und die nationale Sitte. Im Gegentheil, sie küm­merten sich um die kleinsten rituellen Fragen mit starkem Interesse und legten Werth darauf, sie besser zu verstehen als die Pharisäer. Der Unterschied zwischen ihnen und den letzteren liegt lediglich darin, daß sie die alte Scheidung der Stände, die Bevorzugung gewisser Familien und andrerseits die Satzungen der alten heiligen Literatur unverändert festhalten, während ihre Gegner,, aufgeregt von messianischen Hoffnungen und demokratischen Lehren, vorwärts drängen und neue Zustände zu schaffen bestrebt sind.

Die Sadducäer hielten vor Allein auf die bestehenden pricsterlichen Ein­richtungen. Das Volk außerhalb des Tempeladels zählte ihnen nur insoweit, als ihre Vorrechte in ihm eine Basis hatten; dessen Gleichberechtigung mit dem Priesterstand war ihnen ein Greuel. Sie waren der damaligen Wcltbildung nicht fremd. Allein sie beharrtcn in der bürgerlichen und religiösen Verwaltung beim Herkommen, wollten keine Weiterentwickelung und am wenigsten eine Er­hebung der Masse zur Mitbetheiligung an allen religiösen Gütern.

Der Grundgedanke der Pharisäer dagegen war: Gott habe Allen das Erbe, das Königreich, das Priesterthum und die Heiligung gegeben. Sie erstrebten Gleichstellung des gesammten Volkes mit den Priestern, soweit das Gesetz Mosis keinen Unterschied festgesetzt hatte*). Sie bestritten jenen nicht blos die Berech­tigung zur weltlichen Herrschast, welche sie vielmehr einzig dem Geschlechte Davids zuerkannten, und deren Wiederherstellung sie von einem Sprößling die­ses Geschlechts, dem Messias, erhofften, sondern suchten auch die religiöse Be-

') Hierher gehört unter Anderm vorzüglich, daß Hillcl von Babylon, der Schüler Schc- majahs und Abtalions, die Gleichstellung eines Privat- oder Laicnovfcrs, des Passah, mit den Tcmvclopfern gegen den Einspruch der Pricstcrpartci durchsetzte ein ganz entschiedener und bedeutsamer Sieg der Anficht, welcher das ganze Volk heilig war, über die Exclufivität der pricsterlichen Aristokratie.